Kommentar |
Die Psychiatriegeschichte der Weimarer Republik galt lange als eine Art Übergangszeit zwischen der Kriegspsychologie des Ersten Weltkriegs und der Eugenik des Nationalsozialismus. In den letzten Jahren stellten Psychiatriehistoriker*innen jedoch vermehrt die Potentiale der Weimarer Psychiatrien ins Zentrum: Reformen wie die „aktivere Heilbehandlung”, die Familienpflege und die offene Fürsorge bildeten die Grundlage für eine Neubewertung der Psychiatrie. Gleichwohl waren diese Reformen weder neu noch beendeten sie eine Stigmatisierung der Psychiatrisierten. In diesem Seminar werden wir uns den reformerischen Potentialen der Weimarer Psychiatriegeschichte auseinandersetzen.
Daneben bildet der methodologische Zugang zur Psychiatriegeschichte den zweiten Schwerpunkt des Seminars. Welche Quellen gibt es in der Psychiatriegeschichte und wie können wir sie auswerten? Abgesehen von den quellenkritischen Fragen interessieren uns auch theoretische Zugänge: Im Jahr 1961 veröffentlichten der Philosoph Michel Foucault und der Soziologe Erving Goffman gleichzeitig ihre wegweisenden Studien zur Psychiatrie(geschichte). Welche Möglichkeiten bieten sie uns, welche Grenzen haben sie und wo liegen ihre Unterschiede?
Das Seminar wird als Blockseminar stattfinden. Dazu treffen wir uns zu einer ersten organisatorischen Sitzung am 11. April 2024 um 16 Uhr c.t. Die Teilnahme an dieser Sitzung ist zwingend erforderlich, weil wir dort die Blocksitzung vorbereiten werden. Das Seminar selbst findet vom 10. Mai bis zum 12. Mai 2024 (Fr.-So.) statt.
Einführende Literatur: Eckart, Wolfgang Uwe/ Jütte, Robert: Medizingeschichte. Eine Einführung, (2. Aufl.), Köln/ Weimar/ Wien 2014; Siemen, Hans-Ludwig: Die Reformpsychiatrie der Weimarer Republik. Subjektive Ansprüche und die Macht des Faktischen, in: Kersting, Franz Werner et al. (Hgg.): Nach Hadamar. Zum Verhältnis von Psychiatrie und Gesellschaft im 20. Jahrhundert (=Westfälisches Institut für Regionalgeschichte. Landesverband Westfalen-Lippe. Münster. Forschungen zur Regionalgeschichte, Bd. 7), Paderborn 1993, S. 98-108; Waldtschmidt, Anne: „‘Wir Normalen‘ – ‚die Behinderten‘? Erving Goffman meets Michel Foucault“, in: Rehberg, Karl-Siegbert (Hg.): Die Natur der Gesellschaft. Verhandlungen des 33. Kongresses der deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel. Teilbd. 1 u. 2, Frankfurt am Main: 2008, S. 5799-5809. |
Literatur |
Einführende Literatur: Eckart, Wolfgang Uwe/ Jütte, Robert: Medizingeschichte. Eine Einführung, (2. Aufl.), Köln/ Weimar/ Wien 2014; Siemen, Hans-Ludwig: Die Reformpsychiatrie der Weimarer Republik. Subjektive Ansprüche und die Macht des Faktischen, in: Kersting, Franz Werner et al. (Hgg.): Nach Hadamar. Zum Verhältnis von Psychiatrie und Gesellschaft im 20. Jahrhundert (=Westfälisches Institut für Regionalgeschichte. Landesverband Westfalen-Lippe. Münster. Forschungen zur Regionalgeschichte, Bd. 7), Paderborn 1993, S. 98-108; Waldtschmidt, Anne: „‘Wir Normalen‘ – ‚die Behinderten‘? Erving Goffman meets Michel Foucault“, in: Rehberg, Karl-Siegbert (Hg.): Die Natur der Gesellschaft. Verhandlungen des 33. Kongresses der deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel. Teilbd. 1 u. 2, Frankfurt am Main: 2008, S. 5799-5809. |