Kommentar |
Woodstock 1999: Das 30-jährige Jubiläum des Festivals, welches im Jahr 1969 eine ganze Generation musikalisch und politisch geprägt hatte und bis heute als Fluchtpunkt emanzipatorischer Projektionen dient, endet in blinder Zerstörungswut und massiver sexueller Gewalt getrieben von verwahrloster Männlichkeit und gnadenlos profitorientiertem sowie verantwortungslosem Management. Im Line-Up des Festivals von `99 ist ein Wandel des Mindsets popkulturellen Mainstreams abzulesen: Statt Jimi Hendrix, Ravi Shankar, Janis Joplin und Jefferson Airplane sind die Headliner von 1999 Korn, Limp Bizkit, Kid Rock und andere Vertreter des sog. New-Metals. Die Grenzüberschreitungen auf dem Festivalgelände haben nichts mehr mit der Vorwegnahme von Utopien und alternativen Gesellschaften zu tun – sie sind vielmehr Einfallstor für Regression und Barbarei. Topoi dieser Musik sind Angst, Depressionen, Wut und Langeweile.
Damit scheint sich zu bewahrheiten was Frederic Jameson und später Mark Fisher für die populäre Musikkultur, aber auch gesamtgesellschaftlich Diagnostizieren: Es ist kein Platz mehr für Utopien und das Denken von Zukünften: verwaltet wird nur noch Frust, ökonomischer Abstieg und unverhohlener Individualismus. Wir können uns angesichts dieser Entwicklung eher das Ende der Welt vorstellen als das Ende des Kapitalismus.
Etwas mehr als 20 Jahre später - 2023: Das Ende der Welt scheint näher denn je (multiple Krisen des Kapitalismus, Klimawandel, Krieg und Pandemie), der Kampf um eine andere Zukunft ist aber umso mehr im Gange und auch musikalisch scheint die Suche nach Zukünften nicht zum Erliegen gekommen zu sein. Kulturkritiken, die dasselbe vom immergleichen beanstanden und der populären Musikkultur kein Vorwärtsmomentum mehr zutrauen, kommen einem beinahe konservativ vor (oder ist da doch etwas dran? Nostalgie ist überall …). Aber was passiert hier eigentlich? Gibt es angesichts zersplitterter digitaler Öffentlichkeiten und pseudo-demokratisierten kulturellen Produktionsmitteln lediglich eine Kulturindustrie 4.0 oder müssen die Parameter einer kritischen Bestandsaufnahme populärer Musikkultur erst umgestellt werden um zu verstehen, ob und wie in subkulturellen Enklaven doch noch eine Synthese aus musikalischer Innovation und emanzipatorischen Vorhaben gelingt?
Das Seminar begibt sich mit musikalischen Beispielen, theoretischem Gepäck und digitalem Content auf die Suche nach Antworten. Neben Klassikern wie dem Kapitel zur Kulturindustrie (Adorno/Horkheimer) - welches auf Aktualität geprüft werden soll - kommen Susan Sontag, Mark Fisher, Frederic Jameson u.a. zu Wort. Wir werden die „Kultur der Digitalität” (Felix Stalder) vermessen, YouTube-Videoessays zu Rate ziehen und anhand von Beispielen wie u.a. Deconstructive Club Music, Afrofuturismus, Noise und Queerer Musik die Thesen der Literatur überprüfen.
Subjektivität ist erwünscht, ohne das Einbringen von Ideen und Beispielen der Teilnehmenden geht es nicht!
Das Seminar WÖCHENTLICH stattfinden!
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