Kommentar |
Vertrauen gilt als der „Kitt, der alles zusammenhält” (Allmendinger & Wetzel 2020) – Familien, Freundeskreise, Gesellschaften und nicht zuletzt Politik und Demokratie. Insbesondere in den letztgenannten Bereichen wird gegenwärtig jedoch eine tiefreichende „Vertrauenskrise” diagnostiziert. Jene umfasst sowohl das Vertrauen in Entscheidungsträger, Institutionen, (öffentlich-rechtliche) Medien als auch Wahlen und die demokratische Verfassungsordnung selbst. Beispielhaft sei an dieser Stelle nur auf den aktuellen Thüringen-Monitor verwiesen: Lediglich 17 Prozent der Befragten – und damit nicht einmal jede:r Fünfte – gaben an, dass sie der Bundesregierung vertrauen (Reiser et al. 2023: 76). In einem alarmierenden Maße wird demnach Vertrauen durch Misstrauen verdrängt. Was aber ist (politisches) Vertrauen überhaupt? Wie entsteht es? Wie geht es verloren? Welche Folgen hat eine solche Erosion? Und wie lässt sich Vertrauen möglicherweise wiedergewinnen? Diese und weitere Fragen sollen im Rahmen des Seminares ausführlich unter die Lupe genommen und analysiert werden. Das Seminar verfolgt dabei den klassischen Dreischritt von Theorie, Methodik und Empirie. Im theoretisch Teil soll daher zunächst versucht werden, die vielerorts beklagte „konzeptuelle Konfusion” (Schaal 2004: 26) um das oftmals „unklare” (Zmerli & Newton 2011: 67) sowie „unpräzise” (Rohrschneider & Schmitt-Beck 2002: 36) Konzept des (politischen) Vertrauen aufzulösen. Hiermit verbinden sich ebenso Fragen nach unterschiedlichen Formen und Objekten des Vertrauens als auch dessen grundsätzliche demokratietheoretische Relevanz. Aus methodischer Perspektive soll daran anschließend diskutiert werden, wie sich das latente Konstrukt „Vertrauen” überhaupt vermessen lässt und welche Herausforderungen hierbei entstehen. Zusätzlich soll Wissen über in der Vertrauensforschung häufig angewendete Verfahren wie z. B. die Skalen- und Indexkonstruktion, Reliabilitätstests oder die explorative Faktorenanalyse erarbeitet und vertieft werden. Schließlich sollen im empirischen Teil des Seminares Trends und Entwicklungen verschiedener Vertrauensobjekte genauer in den Blick genommen werden. Hierbei sollen Ursachen, Determinanten, Katalysatoren und Folgen (z. B. „exit and voice”, Populismus, Politik- und Parteienverdrossenheit) der gegenwärtigen Entwicklungen genauso in den Blick genommen werden, wie mögliche Lösungsansätze. Die konkrete inhaltliche Ausgestaltung des Empirieteils orientiert sich dabei unter anderem auch an den konkreten Interessenlagen der Teilnehmer:innen. Die Studierenden sollen (im Falle einer großen Prüfungsleistung) im Laufe des Seminares Fragestellungen mit Bezug zum politischen Vertrauen entwickeln und diese im weiteren Verlauf als eigenständige wissenschaftliche Projekte verfolgen. Von den Studierenden wird zudem die Bereitschaft erwartet, sich intensiv mit der internationalen und damit vorwiegend englischsprachigen Fachliteratur auseinanderzusetzen. Kenntnisse im Bereich der quantitativen Methoden sowie der Programmiersprache R/RStudio sind keine Voraussetzung, können und sollen im Rahmen des Seminares aber erweitert oder aufgefrischt werden. |
Literatur |
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Bertsou, Eri (2019): Rethinking Political Trust, in: European Political Science Review 11 (2), 213-220.
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Citrin, Jack/ Stoker, Laura (2018): Political Trust in a Cynical Age, in: Annual Review of Political Science 21 (1), 49-70.
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Norris, Pippa (2022): In Praise of Skepticism: Trust but Verify, Oxford: Oxford University Press.
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Nye, Joseph R./ Zelikow, Philip D./ King, David C. (1997): Why people don't trust government, Cambridge, MA: Harvard University Press.
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Seyd, Ben (2024): Trust. How Citizens View Political Institutions, Oxford: Oxford University Press.
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Uslaner, Eric M. (Hrsg.) (2017): The Oxford Handbook of Social and Political Trust, Oxford: Oxford University Press.
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van der Meer, Tom W. G. (2017): Political trust and „the crisis of democracy”. In: Dalton, Russell J. (Hrsg.): Oxford research encyclopedia on politics. New York, online.
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Zmerli, Sonja/ van der Meer, Tom W. G. (Hrsg.) (2017): Handbook on Political Trust, Cheltenham, UK: Edward Elgar Publishing.
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Leistungsnachweis |
Kleine Prüfungsleistung: Forschungsstand, Lexikonartikel oder Rezension
Große Prüfungsleistung: Forschungsstand (ca. 15-20 Textseiten), Hausarbeit (~ ca. 15-20 Textseiten) oder Research Poster (inkl. Kommentar)
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