Kommentar |
Bachelor BA_VK 2 A (neu), BA_VK 3 A, BA_VK 4 A (alt), ASQ multi Master MVK 4 A (neu), MVK 1 A
„Der Jude“ firmiert als klassische Figur des Feindes in einer langen Geschichte des Antijudaismus und Antisemitismus, die in dieser Vorlesung in historischer Dimension und in ihrer Aktualität thematisiert werden soll. Antisemitismus fungiert im öffentlichen Sprachgebrauch als Sammelbegriff für religiös, kulturell, sozial oder politisch legitimierte Judenfeindschaft. Er zählt zu den ältesten durch Vorurteile und mythische Erzählungen konstruierten Ressentiments, die auf Abwertung und Ausgrenzung, Diskriminierung, Verfolgung oder schließlich Vernichtung eines Kollektivs zielen. Woher rührt die Persistenz des Antisemitismus als ein beständig aktualisierbares System aus Feindbildern und Verschwörungsmythen? Warum entfaltet diese Mischung aus Weltbild und Leidenschaft, wie Jean-Paul Sartre den Antisemitismus charakterisierte, immer wieder Anziehungskraft?
Im Mittelpunkt der Vorlesung stehen Erklärungsansätze und Theorien, sozialpsychologische und kulturelle Aspekte des Antisemitismus. Sie widmet sich Praktiken der „VerAnderung“ (othering), sozialen Funktionen von Freundschaft und Feindschaft, Identität und Alterität, Fremdheit und Xenophobie, der kulturellen Konstruktion und sozialen Funktion von Vorurteilen und Differenzentwürfen von Minderheiten. Es geht um kollektive Identitätsbildungsprozesse und die Rolle von Rassismus im Antisemitismus, Verschwörungsmythen, Bilder, Codes und Stereotypen des „Jüdischen“ sowie Praktiken des Antisemitismus im Alltag (Kleidung, Körper, Milieus, Kultur). Weitere Aspekte: Antisemitismus in Wissenschaft und Universität im Allgemeinen und in der Geschichte volks-kundlicher Kulturwissenschaft im Besonderen, Forschungsfelder der „jüdischen Volkskunde“ (Heimatgeschichte des Nationalsozialismus, das Ende des Landjudentums). Nicht zuletzt stehen neben dem Antisemitismus in Mehrheitsgesellschaften neue Erscheinungsformen zur Diskussion, die sich nicht nur in musli-mischen Diasporagemeinschaften als ideologische und physische Angriffe auf Juden äußern.
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Literatur |
Einführende Literatur: Thomas Nipperdey/Reinhard Rürup: Antisemitismus, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Stuttgart 1972-1992, Bd. 1, S. 129-153. Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Acht Bände, Berlin 2009ff.
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