Zur Seitennavigation oder mit Tastenkombination für den accesskey-Taste und Taste 1 
Zum Seiteninhalt oder mit Tastenkombination für den accesskey und Taste 2 

Demütiger "Engel der Menschlichkeit" oder empanzipierte Powerfrau? Florence Nightingale (1820-1910) - Einzelansicht

  • Funktionen:
Grunddaten
Veranstaltungsart Seminar Langtext
Veranstaltungsnummer 212853 Kurztext
Semester SS 2023 SWS 2
Teilnehmer 1. Platzvergabe 20 Max. Teilnehmer 2. Platzvergabe 24
Rhythmus keine Übernahme Studienjahr
Credits für IB und SPZ
E-Learning
Hyperlink
Sprache Deutsch
Belegungsfrist Zur Zeit keine Belegung möglich
Abmeldefristen


Termine Gruppe: 0-Gruppe iCalendar Export für Outlook
  Tag Zeit Rhythmus Dauer Raum Lehrperson (Zuständigkeit) Status Bemerkung fällt aus am Max. Teilnehmer 2. Platzvergabe
Einzeltermine anzeigen Di. 08:30 bis 10:00 w. 11.04.2023 bis
04.07.2023
Fürstengraben 1 - SR 141 Herold-Schmidt, Hedwig Dr. phil. ( verantwortlich ) findet statt  
Gruppe 0-Gruppe:



Zugeordnete Person
Zugeordnete Person Zuständigkeit
Herold-Schmidt, Hedwig , Dr. phil. verantwortlich
Zuordnung zu Einrichtungen
Seminar für Volkskunde und Kulturgeschichte
Inhalt
Kommentar

          

Bachelor

BA_KG 2 B, BA_KG 4 B

Master

MKG 3 B, MKG 4 B, MWKG

Am Waterloo Place mitten in London hat Großbritannien einer Frau ein Denkmal gesetzt, die in seiner Geschichte einen besonderen Platz einnimmt. Sie ist weithin bekannt als Begründerin der weiblichen weltlichen Krankenpflege. 1860 gründete sie die erste professionelle Krankenpflegeschule und eröffnete damit in Zeiten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbruchs eine berufliche Perspektive für Frauen, die damals weder Besitzrechte hatten noch wählen durften, die aber immer häufiger selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen mussten.

Ihre Bekanntheit verdankt Nightingale ihrem Engagement im Krimkrieg, in dem Mitte des 19. Jahrhunderts Großbritannien mit Frankreich und der Türkei gegen Russland kämpfte und Nightingale – dies war ein Novum im Militärsanitätswesen – einer Gruppe weltlicher Pflegerinnen vorstand. Der Krimkrieg verschaffte Europa eine erste Ahnung davon, mit welcher Brutalität die industrialisierten Kriege der Zukunft geführt werden sollten. Durch Seuchen und unhygienische Zustände starben weit mehr Menschen als auf dem Schlachtfeld. Erstmals erfuhr die britische Öffentlichkeit durch Journalisten vor Ort von der schlechten medizinischen Versorgung und vom selbstlosen Einsatz Nightingales. Dadurch entstand das legendäre Bild einer sich aufopfernden jungen, religiös motivierten Frau, die unter widrigsten Umständen Soldaten pflegte. Als „Lady withtheLamp”, die nachts durch die Krankensäle des Lazaretts schritt, ist sie in das kollektive Gedächtnis eingegangen.

Doch Florence Nightingale auf ihre Pionierrolle in der Krankenpflege zu reduzieren, hieße viele wichtige Felder ihres Schaffens während ihres langen, Lebens zu vernachlässigen. So galt sie als Expertin für öffentliche Gesundheitsfürsorge und Hygiene, als anerkannte Krankenhausreformerin, als Propagandistin für Sozialreformen, als umfassend Kundige für Kolonialfragen in Indien, als Kämpferin gegen Prostitution und als Pionierin der modernen Statistik – ihr verdanken wir maßgeblich das bekannte „Tortendiagramm”. Sie arbeitete in Regierungskommissionen mit, korrespondierte mit Politikern und Experten und versuchte damit zeitlebens eine breite Palette an Sozialreformen voranzubringen. Damit bewegte sie sich auf Gebieten, die Frauen ihrer Zeit üblicherweise verschlossen waren.

Florence Nightingales Leben und Werk wurde in zahlreichen populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen, in Romanen und Filmen dargestellt. Die Mythenbildung begann bereits zu Lebzeiten. Im Kriegseinsatz erkrankt, führte sie ab ihrem 37. Lebensjahr mehr oder weniger das Leben einer Invalidin, die sich öffentlich nur noch sehr selten zeigte. Nichtsdestotrotz konnte sie erheblichen Einfluss auf Politiker ausüben. Ihre Arbeitsdisziplin ist beeindruckend. Ihr Werk umfasst eine extensive Korrespondenz (über 14000 Briefe sind überliefert) und weitere autobiographische Schriften, wie etwa Reiseberichte und -tagebücher, weiterhin Gutachten und Stellungnahmen für offizielle Stellen ebenso wie zahlreiche Studien über gesundheits- und sozialpolitische wie militärische und koloniale Angelegenheiten.

Ihr Bild in der britischen Geschichtsschreibung und Öffentlichkeit ist nichtsdestotrotz ambivalent. Für einige konnten ihre Leistungen nur das Produkt unterdrückter sexueller Triebe sein. Oder man sah in ihr die alleinstehende, sexuell frustrierte, hypochondrische und machtbesessene Intrigantin, deren Leistungen relativiert oder ganz in Frage gestellt wurden, während andere den Mythos fortschrieben. In Deutschland dominiert dagegen weiterhin das ebenso unkritische Bild der aufopferungsbereiten Fast-Heiligen. Wie soll man solchen Klischees und bereits überwunden geglaubten Geschlechterstereotypen begegnen? Wer also war diese Frau, die man unlängst zu den „52 womenwhochangedscience – and theworld” zählte? Wie sind ihr Denken, ihre Motivationen und ihr Handeln einzuschätzen? Welche Zeitumstände prägten ihren Lebenslauf? Einigermaßen umstritten ist auch Nightingales Verhältnis zu Feminismus und Frauenbewegung.

Diesen Fragen wollen wir im Seminar quellennah nachspüren. Am Beispiel Nightingales soll nicht nur in die Welt des 19. Jahrhunderts eingeführt werden, sondern zudem auch in unterschiedliche historiographische Zugänge und Methoden sowie Teildisziplinen, wie etwa die Sozial- und Kulturgeschichte von Medizin, Gesundheit und Krankheit, die Religions- und Geschlechtergeschichte, die Adelsgeschichte sowie die Kulturgeschichte des Reisens. Es geht also u.a. um Geschlechterverhältnisse, Feminismus, Religiosität, Spiritualität, Kolonialismus, Medien und Öffentlichkeit, Kulturtransferprozesse, kollektives Gedächtnis und Erinnerung usw. Die gute Verfügbarkeit von edierten Quellen ermöglicht auch eigenständige kleinere Forschungsarbeiten.

Literatur

Einführende Literatur: Allgemein zu Großbritannien im 19. Jahrhundert: F. M. L. Thompson (Hrsg.): The Cambridge Social History of Britain 1750-1950, 3 Bde., Cambridge 1990. J. M. Golby (Hrsg.): Culture & Society in Britain 1850-1890, Oxford 1986. Edward Royle: Modern Britain. A Social History, 2. Aufl., London 1997. Michael Maurer: Geschichte Englands, 4. akt. und erw. Aufl., Ditzingen 2020. 

Hedwig Herold-Schmidt: Florence Nightingale. Die Frau hinter der Legende, Darmstadt 2020. Nicolette Bohn: Florence Nightingale. Nur Tatenveränderndie Welt, Ostfildern 2020. Mark Bostridge: Florence Nightingale. The Woman and her Legend, London 2009.Monica Eileen Baly: Florence Nightingale and the Nursing Legacy. Building the Foundations of Modern Nursing and Midwifery, Philadelphia 1998. Judith Lissauer Cromwell: Florence Nightingale, Feminist, Jefferson 2013. Gillian Gill:Nightingales. Florence and her Family, London 2004.JharnaGourlay: Florence Nightingale and the Health of the Raj, Aldershot u.a. 2003. Lynn McDonald: Florence Nightingale at First Hand, London 2010. Barbara Montgomery Dossey: Florence Nightingale. Mystic, Visionary, Healer, Springhouse 1999. Louise Penner: Victorian Medicine and Social Reform. Flor­ence Nightingale Among the Novelists, New York 2010. Helen Rappaport: No Place for Ladies. The Untold Story of Women in the Crimean War, London 2007. Hugh Small: Florence Nightingale. Avenging Angel, London 1998. F. B. Smith: Florence Nightingale. Reputation and Power, London 1984.Manfred Vasold: Manfred: Florence Nightingale. Eine Frau im Kampf für die Menschlichkeit, Re­gensburg 2003.Christoph Johannes Schweikardt: Die Entwicklung der Kranken­pflege zur staatlich anerkannten Tätigkeit im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Das Zusammenwirken von Modernisierungsbestrebungen, ärztlicher Dominanz, kon­fessioneller Selbstbehauptung und Vorgaben preußischer Regierungspolitik, München 2008. Bill Luckin: Death and Survival in Urban Britain. Disease, Pollution and Environment, 1800 – 1950, London 2015.

Bemerkung

Voraussetzung für den Erwerb von Leistungspunkten: Die Modulprüfung besteht in der Abfassung einer Hausarbeit. Erwartet wird die regelmäßige, aktive Teilnahme.

Bemerkungen: Referate für das Modul „Fachspezifische Schlüsselqualifikationen FSQ” im Bachelorstudiengang sind möglich.

Strukturbaum
Keine Einordnung ins Vorlesungsverzeichnis vorhanden. Veranstaltung ist aus dem Semester SS 2023 , Aktuelles Semester: SoSe 2024

Impressum | Datenschutzerklärung