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Auswandererbriefe: Deutsche Migranten schreiben aus den USA und aus Brasilien - Einzelansicht

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Grunddaten
Veranstaltungsart Seminar Langtext
Veranstaltungsnummer 212851 Kurztext
Semester SS 2023 SWS 2
Teilnehmer 1. Platzvergabe 20 Max. Teilnehmer 2. Platzvergabe 24
Rhythmus keine Übernahme Studienjahr
Credits für IB und SPZ
E-Learning
Hyperlink
Sprache Deutsch
Belegungsfrist Zur Zeit keine Belegung möglich
Abmeldefristen


Termine Gruppe: 0-Gruppe iCalendar Export für Outlook
  Tag Zeit Rhythmus Dauer Raum Lehrperson (Zuständigkeit) Status Bemerkung fällt aus am Max. Teilnehmer 2. Platzvergabe
Einzeltermine anzeigen Mo. 10:00 bis 12:00 w. 17.04.2023 bis
03.07.2023
Fürstengraben 1 - SR 141 Herold-Schmidt, Hedwig Dr. phil. ( verantwortlich ) findet statt  
Gruppe 0-Gruppe:



Zugeordnete Person
Zugeordnete Person Zuständigkeit
Herold-Schmidt, Hedwig , Dr. phil. verantwortlich
Zuordnung zu Einrichtungen
Seminar für Volkskunde und Kulturgeschichte
Inhalt
Kommentar

       

Bachelor

BA_KG 2 B, BA_KG 4 B

Master

MKG 3 B, MKG 4 B, MWKG

Migrationen aus den verschiedensten Gründen gab es schon immer, Migration ist so alt wie die Menschheitsgeschichte. Das 19. und beginnende 20. Jahrhundert gilt jedoch in Europa als Zeit der Massenauswanderung, in dem sich viele Menschen vor allem aufgrund von wirtschaftlicher Not auf den Weg machten. Das Ziel der meisten, auch der Deutschen, waren dabei die USA, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Aber auch in den Südteil Lateinamerikas, insbesondere nach Brasilien, Argentinien und Chile, zog es viele. Etwa sechs Millionen Deutsche sollen allein in die Vereinigten Staaten ausgewandert sein. Im Gegensatz zu Deutschland fehlten in den USA Arbeitskräfte. Insbesondere auf junge Menschen übte die Neue Welt eine starke Anziehungskraft aus, die sich bei allgemein spärlichem Wissen über das Land eine „goldene Zukunft” erhofften. Auch Brasilien benötigte Zuwanderer, u.a. um die wegfallende Arbeitskraft nach der Abschaffung der Sklaverei zu kompensieren.

Die einzige Kontaktmöglichkeit mit der alten Heimat, mit Verwandten und Freunden, stellten Briefe dar; etwa 250 Millionen Briefe – so schätzt man – sollen zwischen 1820 und 1930 – zwischen den USA und Deutschland den Atlantik überquert haben. Der Ausbau des Postwesens und die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur im 19. Jahrhundert lieferten dafür die nötigen Voraussetzungen. Diese Auswandererbriefe stellen nun aus verschiedenen Gründen eine außergewöhnliche kulturgeschichtliche Quelle dar. Zum einen handelt es sich um eine Quellengattung, die auch die einfacheren, weniger gebildeten Leute nutzten, die im Allgemeinen selten oder nie zur Feder griffen. Zum anderen werden in diesen Schreiben Begebenheiten des Alltags ausgetauscht und verhandelt, die unter „normalen” Umständen Gegenstand der mündlichen Kommunikation gewesen wären bzw. wegen ihrer Selbstverständlichkeit keinen schriftlichen Niederschlag gefunden hätten. Insofern geben die Briefe Aufschluss über den Alltag, das Denken, Handeln und Schreiben der kleinen Leute in einer Zeit zunehmender Alphabetisierung und rasanten sozioökonomischen Wandels.

Auswandererbriefe liefern somit eine Vielzahl von Informationen aus vielen verschiedenen Perspektiven. Dies reicht von den Motiven für die Auswanderung, über den Integrationsprozess in der neuen Heimat mit seinen vielfältigen Schwierigkeiten bis zur Beurteilung der fremden Kulturen der Aufnahmeländer, was stets mit der Reflektion über das jeweils Eigene einherging. In den Briefen wird ständig verglichen. In quellenkritischer Hinsicht ist „die kommunikative Grundsituation des Schreibers zu berücksichtigen, der nicht nur sich und seine Lebenswelt im Auge hat, sondern auch den Adressaten und dessen Umfeld, so dass er dessen Erwartungen und Empfindlichkeiten Rechnung zu tragen hat” (Wolfgang Helbich).

Im Mittelpunkt der Briefe stand das engere persönliche Umfeld der Schreiber und Schreiberinnen, vorrangiges Ziel war die Aufrechterhaltung des Familienzusammenhalts. Ursula Lehmkuhl spricht von einer „Art Kaffee- und Kuchen-Narrativ”: die Auswanderer schreiben so, als würden sie sich am Kaffeetisch unterhalten. Die große Politik wurde nur dann angesprochen, wenn sie direkten Einfluss auf das eigene Leben und Handeln hatte, was auch mit dem Bildungstand der meisten Auswanderer zu erklären ist. Dieser zeigt sich deutlich an oft ungelenken Formulierungen und Rechtschreibfehlern. Dass das Briefeschreiben viele überforderte, zeigt auch der Einsatz von Musterbüchern: lediglich abgeschriebene Versatzstücke lassen sich nicht selten deutlich erkennen.

Auswandererbriefe dienten darüber hinaus nicht nur der dialogischen Kommunikation mit Verwandten und Freunden in der Heimat, sie erschienen bald auch – nicht selten bearbeitet – in verschiedenen Medien. Dazu zählt nicht nur die Literatur für Auswanderungswillige, auch in Zeitungen und Zeitschriften wurden sie häufig verbreitet. Auswanderungsagenturen oder –vereine setzten etwa fingierte oder die Verhältnisse beschönigende Briefe ein, um für Auswanderung zu werben. Von Behörden veröffentlichte Briefe zielten mitunter darauf ab, die Menschen von der Emigration abzuhalten.

Im Seminar wollen wir Migration und Migrationserfahrungen von Deutschen in den USA und in Brasilien anhand von Auswandererbriefen in den Blick nehmen. Fremdheits-, Integrations- und Akkulturationserfahrungen im Alltag, Wahrnehmungs- und Sinnstiftungsprozesse hinsichtlich des Eigenen und des Fremden wie Kulturtransfer- und Hybridisierungsprozesse und vieles mehr gehören zu einem vielfältigen Themenspektrum, das die kulturgeschichtliche Forschung im Sinne einer immer stärker transnational verorteten und vernetzten Globalgeschichte zunehmend aufgreift. Dabei soll auch die geschlechtergeschichtliche Perspektive den ihr zustehenden Platz erhalten.

Literatur

Einführende Literatur: Klaus J. Bade: Europa in Bewegung: Migration vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München 2000. Klaus J. Bade/Corrie van Eijl (Hrsg.): Enzyklopädie Migration in Europa: Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, 3. Aufl., Paderborn, 2010.Manfred P. Emmes: Deutsche Massenauswanderung in den vergangenen drei Jahrhunderten und Rückwirkungen auf die Außenbeziehungen Deutschlands, Kaarst 2021.

Wolfgang J. Helbich: Auswandererbriefe als Quelle für Historiker, in: Nikolaus Werz/Reinhard Nuthmann (Hrsg.): Abwanderung und Migration in Mecklenburg und Vorpommern, Wiesbaden 2004, S. 77–90. Wolfgang J. Helbich: Auswandererbriefe. Nutzen, Missbrauch, Möglichkeiten in: Christiane Harzig (Hrsg.): in Migration und Erinnerung: Reflexionen über Wanderungserfahrungen in Europa und Nordamerika, Göttingen 2006, S. 83–103. Ursula Lehmkuhl: Auswandererbriefe als kommunikative Brücken. Wege und Formen der (Selbst-)Verständigung in transatlantischen Netzwerken, in: Zeitschrift für mitteldeutsche Familiengeschichte 52/2 (2011), S. 65–84.Siegfried Grosse u. a. (Hrsg.): "Denn das Schreiben gehört nicht zu meiner täglichen Beschäftigung". Der Alltag kleiner Leute in Bittschriften, Briefen und Berichten aus dem 19. Jahrhundert. Ein Lesebuch, Bonn 1989. Wolfgang J. Helbich/Annette Haubold: "Alle Menschen sind dort gleich …": Die deutsche Amerika-Auswanderung im 19. und 20. Jahrhundert, Düsseldorf 1988. Bernd Brunner: Nach Amerika: Die Geschichte der deutschen Auswanderung, München 2009. Frank Trommler (Hrsg.): Amerika und die Deutschen: Bestandsaufnahme einer 300jährigen Geschichte, Opladen 1986. Silke Wehner-Franco: Deutsche Dienstmädchen in Amerika 1850-1914, Münster 1994.Sebastian Conrad: Globalisierung und Nation im deutschen Kaiserreich, München 2006 (Kap. 5 zu Brasilien).Walter D. Kamphoefner: Südamerika als Alternative? Bestimmungsfaktoren der deutschen Überseewanderung im 19. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2000/01, S. 199-215. Mercedes Gassen Kothe: Land der Verheißung: Die deutsche Auswanderung nach Brasilien 1890 - 1914, Rostock 2003. Frederik Schulze: Auswanderung als nationalistisches Projekt. "Deutschtum" und Kolonialdiskurse im südlichen Brasilien (1824-1941, Köln/Weimar/Wien, 2016.

Wolfgang J. Helbich/Walter D. Kamphoefner/Ulrike Sommer (Hrsg.): Briefe aus Amerika: Deutsche Auswanderer schreiben aus der Neuen Welt 1830 – 1930, München 1988. Heinz-Ulrich Kammeier (Hrsg.): "Ich muß mir ärgern, das ich nicht ehr übern Großen Ozean gegangen bin". Auswanderer aus dem Kreis Lübbecke und Umgebung berichten aus Amerika Espelkamp 1988. Walter D. Kamphoefner: Westfalen in der Neuen Welt. Eine Sozialgeschichte der Auswanderung im 19. Jahrhundert, Göttingen 2006. Auswandererbriefe in der UB Erfurt/Gotha, vgl.        https://www.uni-erfurt.de/bibliothek/fb/bestaende/handschriften-abendlaendisch/auswandererbriefe/

 

Bemerkung

Voraussetzung für den Erwerb von Leistungspunkten: Die Modulprüfung besteht in der Abfassung einer Hausarbeit. Erwartet wird die regelmäßige, aktive Teilnahme.

Bemerkungen: Referate für das Modul „Fachspezifische Schlüsselqualifikationen FSQ“ im Bachelorstudiengang sind möglich.

Strukturbaum
Keine Einordnung ins Vorlesungsverzeichnis vorhanden. Veranstaltung ist aus dem Semester SS 2023 , Aktuelles Semester: SoSe 2024

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