Kommentar |
Das Projekt der technisierten Moderne ist eng verbunden mit dem Projekt des Verkehrs. Der Bau von Eisenbahnstrecken, Bahnhöfen, Schiffslinien und asphaltierten Straßen erzeugt seit Mitte des 19. Jahrhunderts einen neuen Erfahrungsraum, den die Literatur reflektiert. Die moderne Infrastruktur führt zu beschleunigter Bewegung, Gruppenreisen im Abteil, Massentourismus, Großstadtverkehr und Autounfällen. Sie werden zu bestimmenden Elementen des gesellschaftlichen Lebens. Das Seminar will sich diesen Phänomenen anhand von vier Schwerpunkten nähern. Am Beispiel von Fontanes Erzählung Cécile (1886) wird es sich zunächst der Bedeutung der Eisenbahnreise für die Literatur des späten 19. Jahrhunderts widmen und geht dann über zur Schilderung der modernen Großstadt als chaotischer Verkehrsknotenpunkt, wie ihn John Dos Passos in Manhattan Transfer (1925) und Paul Gurk in Berlin (1927) entwerfen. Zur Sprache kommen soll auch die Literarisierung gigantischer Infrastrukturprojekte in Bernhard Kellermanns Erfolgsroman Der Tunnel (1913), der den Bau eines „Transatlantik-Tunnels“ zwischen Europa und Amerika schildert. Den Abschluss bildet die zunehmende Bedeutung des Automobils als Topos der Literatur, wie sie in Raymond Chandlers Kriminalroman Der Große Schlaf (1939) und aktuell in Christian Krachts Eurotrash (2021) eine Rolle spielen. |
Literatur |
Da es sich bei den meisten der genannten Texte um längere Romane handelt, werden wir diese in Auszügen lesen. Erste und aktuelle Einblicke in das Thema geben der Sammelband von Gwendolin Engels et al.: Im Fuhrpark der Literatur. Kulturelle Imaginationen des Autos, Göttingen 2022 sowie die Studien von Dirk van Laak: Alles im Fluss. Die Lebensadern unserer Gesellschaft: Geschichte und Zukunft der Infrastruktur. Frankfurt am Main 2018 und Steffen Richter: Infrastruktur. Ein Schlüsselkonzept der Moderne und die deutsche Literatur 1848-1914. Berlin 2018. |