Kommentar |
Mit dem Begriff emotionaler oder affektiver Kapitalismus werden in der Regel zwei komplementäre Entwicklungen erfasst: zum einen die Emotionalisierung von Erwerbsarbeit und zum anderen die Rationalisierung bzw. Ökonomisierung des Gefühlslebens im Privatbereich. Diese Entwicklungen sind nicht neu, weisen jedoch im Zuge des Neoliberalismus quantitative wie qualitative Veränderungen auf. Hinsichtlich der Arbeit gab es anfänglich optimistische Erwartungen, wonach der wachsende Stellenwert von Gefühlen die Autonomie und Solidarität der Arbeitnehmer:innen stärken würde, doch inzwischen dominieren problematische Befunde. Kritisiert werden die Kommodifizierung von Gefühlen und deren forcierte Ausbeutung, insbesondere in von Frauen dominierten Dienstleistungs- und Care-Berufen. Im Privaten sind die Prüfung, Bewertung und Optimierung des eigenen Gefühlshaushalts und der Nahbeziehungen eine kontinuierliche Anforderung und sowohl Gegenstand eines boomenden Beratungsmarktes als auch anhaltender kritischer Debatten, etwa im Zusammenhang mit dem „unternehmerischen Selbst” (Bröckling) oder „erschöpften Selbst” (Ehrenberg). Schließlich wird in der Politik wieder eine verstärkte Adressierung und Modulierung von Gefühlen konstatiert, was sich nicht nur an den Mobilisierungsstrategien rechtspopulistischer Parteien, sondern auch an linken Initiativen und Protestbewegungen, bspw. im Kontext des Klimaschutzes, beobachten lässt.
Vor diesem Hintergrund widmet sich das Seminar den Ausprägungen des gegenwärtigen affektiven Kapitalismus und beleuchtet die Ursachen und Auswirkungen der Bedeutungszunahme und -veränderung von Gefühlen in den genannten interferierenden Bereichen „Arbeit”, „Privatleben” und „Politik”. Vorgesehen sind klassische und aktuelle Texte zum Thema von u.a. Arlie R. Hochschild, Eva Illouz, Birgit Sauer, Michael Hardt, Sighard Neckel. |