Kommentar |
Energiekrise, Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Schuldenkrise, Klimakrise, Demokratiekrise, Reproduktionskrise, Coronakrise: die Krisendiagnosen der Gegenwart sind so zahlreich und die Krisen so eng miteinander verschränkt, dass zunehmend von "multipler Krise" oder "Vielfachkrise" die Rede ist. Obwohl der Krisenbegriff sowohl im akademischen wie auch im medialen und politischen Diskurs omnipräsent ist, bleibt seine konkrete Bedeutung häufig diffus. Zu beobachten ist derzeit zudem die Tendenz, die Gegenwart als Kulminationshorizont multipler Krisendynamiken zu identifizieren, zulasten einer historischen Einordnung und Einbettung der aktuellen Entwicklungen.
Vor diesem Hintergrund verfolgt das Seminar zwei Ziele: Zunächst stehen geschichtswissenschaftliche, soziologische, politiktheoretische und ideengeschichtliche Auseinandersetzungen mit Konzeptionalisierungen von Krise im Vordergrund. Dabei interessiert uns insbesondere auch der Zusammenhang von Krisen, Krisenwahrnehmungen und Krisenerfahrungen. Mit diesem konzeptionellen Background wenden wir uns dann sozio-ökonomischen Krisen in Geschichte und Gegenwart zu, wobei es stets um das Ineinandergreifen unterschiedlicher Krisendynamiken geht. Empirisch konzentrieren wir uns auf die Weimarer Republik, mit einem Schwerpunkt auf dem Krisenjahr 1923 , und auf die aktuelle Krisenwahrnehmung,eingebettet in den größeren Kontext der anwachsenden Krisendiskurse seit den 1970er Jahren. Das Seminar ist interdisziplinär angelegt und hat zum Ziel, zeitgeschichtliche und soziologische Perspektiven auf Krisen und Krisenerfahrungen füreinander fruchtbar zu machen. |
Literatur |
Thomas Mergel (Hg.), Krisen verstehen. Historische und kulturwissenschaftliche Annäherungen, Frankfurt/New York 2012.
Rüdiger Graf/Konrad H. Jarausch, „Crisis” in Contemporary History and Historiography, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 27.03.2017, http://docupedia.de/zg/graf_jarausch_crisis_v1_en_2017, DOI: http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.789.v1 |