Kommentar |
Menschen verbringen einen großen Teil ihres Lebens damit, sich um sich selbst, andere und die Umwelt zu kümmern. Besonders die Kindheit zeichnet sich durch die Abhängigkeit von der Fürsorge durch Bezugspersonen aus. Um ein Baby wird sich gesorgt, lange bevor es seine Bedürfnisse artikulieren kann. Vor der Autonomie der Menschen steht also ihre Abhängigkeit. Aber auch später sind Menschen auf andere angewiesen: Freund:innen, die einem zuhören, Pfleger:innen, die nach einem sehen oder Putzkräfte, die sich um den Haushalt kümmern, wenn man 60 Stunden die Woche arbeitet. Das Bedürfnis nach Fürsorge wäre somit eines, das jeder Mensch hat – und nicht bloß den Schwächsten der Gesellschaft zukommt. Das hat Konsequenzen für die Grundbegriffe der Moderne, wie zum Beispiel den der ‚Autonomie‘. Dieser kann demnach nicht einfach vorausgesetzt werden, sondern muss vielmehr ihrem stetigen Wechselspiel mit Abhängigkeit und Bedürftigkeit gedacht werden.
Auf diese Abhängigkeit des Menschen von anderen sowie auf die unsichtbar gemachte Arbeit, die vielfach dahintersteht, hinzuweisen, war und ist langwieriger Kampf der feministischen Theorie und Geschlechterforschung. Im Seminar wird hierzu auf zwei einschlägige Debattenstränge der Ethik der 1980er Jahre zurückgegriffen: die Kommunitarismus-Liberalismus-Debatte sowie die Kohlberg-Gilligan-Debatte.
Bezugnehmend auf diese Debatten können für die Soziologie grundlegende Fragen gestellt werden: Ist eine Moral der Fürsorge gleichberechtigt mit einer Moral der Gerechtigkeit? Und welche Rolle nimmt die Sorge um die Mitmenschen im abstrakten Denken ein? Oder sprechen wir hier von zwei verschiedenen Welthaltungen, die nicht miteinander zu vereinbaren sind und partikularen Gruppen in der Gesellschaft zukommen?
Hinweis: Es werden vermehrt englischsprachige Texte gelesen. |