Kommentar |
Allen Zeitzeugnissen zufolge pflegten Arendt und Adorno ein Nicht-Verhältnis, das von gegenseitiger Ignoranz und teils starker persönlicher Antipathie geprägt war. Obwohl beide zu den einflussreichsten Denker*innen und öffentlichen Intellektuellen der Nachkriegszeit zählten, gab es weder einen direkten Austausch noch haben sie einander rezipiert. Dies spiegelt sich in zwei weitgehend getrennten Rezeptionslinien, die eine Frontstellung ihres Denkens suggerieren. Demgegenüber unternimmt das Seminar den systematischen Versuch, Arendt und Adorno nachträglich ins Gespräch zu bringen. Im Mittelpunkt stehen dabei ihre zeitdiagnostischen Reflexionen, die nicht zuletzt Schlüsselprobleme einer kritischen Gesellschaftstheorie und Philosophie nach Auschwitz thematisieren und somit weit mehr bieten als einen Beitrag zur intellectual history des 20. Jahrhunderts.
Das Seminar beginnt mit einem biographischen Einstieg, um den historisch-politischen Erfahrungshintergrund ihres Denkens präsent zu machen. Im zweiten Teil diskutieren wir Aufsätze aus den 1950/60er Jahren, die sich der (Nicht-)Aufarbeitung der NS-Vergangenheit widmen und dabei grundlegenden (unvermindert aktuellen) Fragen bezüglich gesellschaftlicher Herrschaft, Autoritarismus, Demokratie und politischer Mündigkeit nachgehen. Mittels Close-Reading werden wir die zentralen begrifflichen, argumentativen und inhaltlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten. Den Abschluss bildet ein resümierender Vergleich, wobei wir Arendts und Adornos Ansätze einer kritischen Gesellschaftstheorie sowie deren Aktualität ausloten werden.
|