Kommentar |
Nikomachos von Gerasa (Γέρασα im heutigen Jordanien) lebte um 100 n. Chr. und verstand sich selbst als Pythagoreer, ist jedoch stark vom (mittleren) Platonismus beeinflusst, der den Pythagoreismus als Teil der eigenen Tradition verstand. Sein einziges erhaltenes Werk ist eine Einführung in die Arithmetik, die mathematisch nicht weit über den uns bekannten Schulstoff hinausführt, dafür aber eine philosophische Einordnung und Deutung der mathematischen Lehrgegenstände bietet. Ausgehend von Platon, den er gut kannte, bietet er eine Einordnung der Mathematik in die (pythagoreisch-platonische) Philosophie. Im späteren Neuplatonismus ist Nikomachos stark rezipiert worden, so von dem christlichen Neuplatoniker Johannes Philoponos (6. Jh. n. Chr.), der ihn kommentierte, und von Boethius, der in seiner Institutio arithmetica eine paraphrasierende lateinische Fassung der Einführung vorlegte.
Dadurch wurde Nikomachos (über Boethius) mittelbar zu einem der wesentlichen Autoren, die die mittelalterlichen Artes liberales als zentrale Gegenstände des Quadriviums (Arithmetik, Musik, Geometrie, Astronomie) begründet haben.
In diesem Semester wollen wir einige zentrale, philosophisch relevante Partien der Einführung gemeinsam lesen und besprechen. |
Literatur |
Textausgaben: Nicomachi Geraseni Pythagorei Introductionis arithmeticae libri II, rec. Ricardus Hoche, Leipzig 1866. Boetii De institutione arithmetica libri duo, De institutione musica libri quinque, ed. Godofredus Friedlein, Leipzig 1867. Beide Textausgaben werden elektronisch zur Verfügung gestellt.
Vorbereitung: Für die erste Sitzung bitte ich nach Möglichkeit die ersten sechs Kapitel bei Nikomachos (p. 1–13 Hoche) und/oder Kapitel 1 des ersten Buches bei Boethius (p. 7–12 Friedlein) vorzubereiten, wo es um die mathematischen Wissenschaften, ihre Einteilung und ihr Verhältnis zur Philosophie geht. |