Kommentar |
Der „Aufstand der letzten Generation“ zeigt es: Immer wieder treten Bewegungen und Protestformen auf, die bewusst auf Strategien setzen, die sich im Grenzbereich zum Rechtsbruch bewegen oder bewusst in diesem Bereich operieren. Erinnert sei hier an Phänomene aus der jüngeren Vergangenheit wie Occupy Wallstreet, Pussy Riot, Tierrechtsaktionen, Umwelt- und Klimaproteste, antifaschistische Proteste gegen Nazi-Demos etc. Auch bemühten Proteste gegen Corona-Maßnahmen immer wieder ein „Widerstandsrecht“, wenn sie sich über Auflagen hinwegsetzten.
Immer stellt sich dabei die Frage, mit welcher Berechtigung sich diese Handlungsformen über geltendes Recht stellen. Von einem rein legalistischen Standpunkt aus sind sie jedenfalls nicht zu rechtfertigen und geraten in einen Konflikt mit dem Rechtsstaat. Sie bedürfen daher einer Legitimation jenseits des Legalismus, die oft in einer spezifischen normativen politischen Theorie wurzelt. Das Seminar fragt nach solchen Legitimationsformen zivilen Ungehorsams. Und es fragt danach, was ziviler Ungehorsam von einem analytischen Standpunkt betrachtet eigentlich ist und wie er sich von anderen Formen des Nonkonformismus unterscheidet. Auch die Frage des Verhältnisses des zivilen Ungehorsams zur Gewalt wird thematisiert werden.
Im Zuge der Bürgerrechtsbewegung in den USA und der Proteste gegen den Vietnamkrieg spielte der zivile Ungehorsam bereits eine wichtige Rolle. Eine erste Hauptphase der Auseinandersetzung mit diesem Thema in der politischen Philosophie findet sich daher in den späten 1960er/ Angang der 1970er Jahre. Auch die Proteste der 1968er in Europa spielen dabei eine wichtige Rolle, ebenso wie die antikoloniale Bewegung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zum genaueren Verständnis des Phänomens werden wir uns daher nicht nur diese historischen Beispiele zivilen Ungehorsams näher anschauen, sondern vor allem die theoretische Reflexion ins Zentrum rücken. Wichtige Autoren des Seminars werden neben dem Klassiker Henry David Thoreau auch Gandhi, Martin Luther King, Herbart Marcuse, Hannah Arendt, John Rawls und Jürgen Habermas sein. Aber auch gegenwärtige Autoren werden vertreten sein. |
Bemerkung |
Wer die erste Sitzung der Lehrveranstaltung versäumt, ohne sich vorher schriftlich oder persönlich zu entschuldigen, kann den Anspruch auf einen Platz in der LV verlieren, wenn es mehr Interessenten als Plätze gibt. Dies gilt ungeachtet der Platzzuweisung durch Friedolin und ist im Einklang mit der gruandsätzlichen Aufhebung der Anwesenheitspflicht. |
Zielgruppe |
Das Seminar richtet sich an Studierende im Basismodul Politische Theorie und Ideengeschichte (POL 220). Kenntnisse in den Grundzügen und der Arbeitsweise politischer Theorie und Ideengeschichte werden zusammen mit dem Lehrstoff vermittelt. Ein erkennbares Interesse an der Lektüre und Diskussion von Schlüsseltexten der politischen Theorie ist mehr als willkommen.
Praktiker des zivilen Ungehorsams sind natürlich ebenso willkommen, doch versteht sich das Seminar nicht als praxisorientierter Workshop. :-) |