Kommentar |
Die Berichterstattung über die Region Mittlerer Osten und Nordafrika war über die vergangenen Jahrzehnte geprägt von Kriegs- und Katastrophenberichterstattung. Ein Land nach dem andern schien in dieser Region in Chaos und Gewalt zu versinken. Die Vorlesung fragt ausgehend von grundlegenden Theorien der Medienethik danach, ob die thematisch einseitigen und inhaltlich oft lückenhaften Berichterstattungen ethisch verantwortbar waren. Ziel ist es, das Qualitätsbewusstsein für ethisch guten Journalismus zu stärken und einen ethisch gebildeten Blick auf die Produktionen unterschiedlicher Medien einzuüben. Kolonialer, islamophobe und orientalistische Perspektiven auf die Region sind in den Medien genauso wenig Vergangenheit wie in der Politik der westlichen Staaten einschließlich Russlands. Zu fragen ist etwa auch, ob die Berichterstattung über den Irakkrieg zur Verharmlosung des Kriegsgeschehens, die Darstellung des Afghanistaneinsatzes der Bundeswehr zu Desorientierung der deutschen Öffentlichkeit und Präsentation der Konflikte zwischen Israel und Palästinensergebieten zur Fortsetzung dieser Konflikte beigetragen haben. Im Bereich der Filmkunst lassen sich einige Hollywoodproduktionen geradezu als Kriegspropaganda entlarven. Auch das weitgehende Verschweigen von Gewalt und Unterdrückung in beliebten Urlaubsländern gehört zu den problematischen journalistischen Verhaltensweisen, die in der Region studiert werden können. Verständnis für das Leben der Menschen in der Region oder für die Not und die Bedürfnisse von Flüchtlingen werden demgegenüber in den westlichen Medien kaum thematisiert. Die Gewaltgeschichte der westlichen Interventionen in der Region bleibt vielen Zeitgenossen ebenso verborgen wie die enormen ökonomischen, demographischen und kulturellen Dynamiken, denen diese Region ausgesetzt war und ist. Da es meist Journalisten sind, die die Defizite der Berichterstattung aufgedeckt haben, wird die Veranstaltung nicht bei der Kritik stehenbleiben, sondern zahlreiche positive Beispiele von gutem und konstruktivem Journalismus studieren können. |
Literatur |
Edward Said, Orientalismus. Z. Aufl Frankfurt/M: Fischer 2009. Ulrich Tilgner, Der inszenierte Krieg – Täuschung und Wahrheit beim Sturz Saddam Husseins. Berlin: Rowohlt 2007. Emran Feroz, Der längste Krieg. Westend 2021. David Loyn, The Long War. New York: Butcher&Bolt 2021 |