Kommentar |
Im Seminar sollen ausgewählte Partien aus den Werken des akademischen und des stoischen Philosophen gelesen und vergleichend interpretiert werden, Textpartien, die wegen ihres gemeinsamen Gegenstands eine kontrastierende Betrachtung des philosophischen Gehalts, der historischen Bezüge und der literarisch-stilistischen Gestaltung erlauben. Begonnen wird mit der vergleichenden Lektüre von Ciceros De officiis und Senecas De beneficentia, die mit dem Euergetismus beide die soziale Grundlage antiker Gesellschaften zu ihrem Gegenstand machen. Zu den für die römische Gesellschaft relevanten Themen, die beide Philosophen in ihren Reden bzw. philosophischen Traktaten behandeln, gehört auch die Milde (clementia) im Unterschied zur Gerechtigkeit (iustitia). Tritt Seneca in seiner an Kaiser Nero gerichteten Abhandlung De clementia in einen Dialog mit Cicero ein? Wie unterscheiden sich die Denkstile und die literarischen Kunstgriffe Ciceros und Senecas? Wie rezipiert Seneca Ciceros Überlegungen in den Reden vor dem Diktator Caesar? Wie erklären Cicero und Seneca menschliche Leidenschaften wie den Zorn in ihren Werken Tusculanae disputationes und De ira? Worauf beruht die in der frühen Kaiserzeit eher verhaltene Cicerorezeption? Aus welchen Gründen verstärkt sich die Cicerorezeption in der hohen Kaiserzeit und in der Spätantike, in der Cicero zum Klassiker schlechthin avanciert, während Seneca eher sporadisch rezipiert wird? Diese und ähnliche Fragen sollen im Seminar, unter Einbeziehung auch der didaktischen Vermittlung der beiden Schulautoren, behandelt werden. |
Literatur |
Zur einführenden Lektüre eignen sich Manfred Fuhrmanns Monographien „Cicero und die römische Republik“ und „Seneca und Kaiser Nero“, die jeweils in mehreren Auflagen erschienen sind. Auszüge aus den Werken Ciceros und Senecas, welche stoische Theorien zur Ontologie, Epistemologie, Naturphilosophie und Ethik behandeln und sich daher zur vergleichenden Interpretation besonders eignen, sind übersichtlich zusammengestellt in A.A. Long, D.N. Sedley, Die hellenistischen Philosophen, Texte und Kommentare, Übersetzt von Karlheinz Hülser, Stuttgart, Weimar 1999/2006. Textausgaben, die sich zur Vorbereitung eignen, sollen in der konstituierenden Sitzung vorgestellt werden. |