Kommentar |
Die Zeit des Zweiten Weltkriegs, insbesondere die Zeit der Okkupation durch die deutsche Wehrmacht, ist für Polen zu einem Trauma geworden. In der polnischen Literatur über den Zweiten Weltkrieg werden die deutschen Besatzer hingegen in den meisten Fällen kaum konkret dargestellt. Sie gelten als präsent, und man weiß, was damals passiert ist, aber sie werden selten als lebendige Figuren gestaltet. Mit der Darstellung eines Volksdeutschen in Poczatek (1986), dem erfolgreichsten Roman Andrzej Szczypiorskis, bricht der Autor mit dem ungeschriebenen Gesetz, die Besatzer gewissermaßen zu ignorieren, und indem er das NSDAP-Mitglied eine von einem anderen Juden verratenen Jüdin retten lässt, die erst 1968 infolge der sogenannten „antizionistischen Aktion“ aus Polen nach Frankreich emigriert, stellt er das Täter-Opfer-Schema mit Blick auf die polnische Bevölkerung geradezu auf den Kopf. Szczepan Twardoch bricht in Morfina (2012) das Tabu der Heroisierung des polnischen Widerstands, indem er einen morphinsüchtigen polnischen Offizier, der, um der Kriegsgefangenschaft zu entgehen, nach der polnischen Niederlage im September 1939, zunächst untertaucht und dann eher zufällig einen Auftrag für die polnische Untergrundbewegung übernimmt, wobei er grandios scheitert. Aber auch das Verhältnis von Polen und Deutschen sowie Polen und Russen wird einer Revision unterworfen. Anhand beider Romane soll erarbeitet werden, auf welche Weise Tabus gebrochen werden und welche Bedeutung dies zur jeweiligen Entstehungszeit gehabt hat. |
Literatur |
Literatur zur Vorbereitung:
Andrzej Szczypiorski, Poczatek (dt.: Die schöne Frau Seidenmann)
Szczepan Twardoch, Morfina (dt.: Morphin) |