Kommentar |
Das Seminar gibt eine Einführung in den Gesamtentwurf des frühen Wittgenstein. Es ist die Gelegenheit, eines der faszinierendesten philosophischen Bücher kennen zu lernen.
Zur Einführung uns als Überblick:
Die LPA ist ein, ja geradezu der Klassiker der philosophischen Moderne. Das Buch ist als „Tractatus“ bekannt geworden und eines der sehr seltenen Beispiele für ein Werk, das bereits als Originalausgabe zweisprachig erschien. Es hat über seine prägnante, teilweise aphoristische Form auch als literarisches Werk gewirkt – der erste und der letzte Satz sind zu geflügelten Worten geworden.
Das Buch enthält eine Philosophie des logischen Atomismus, eine Bildtheorie der Sprache, in ihm ist das Verifikationsprinzip des sprachlichen Sinnes formuliert und die Auffassung vom tautologischen Charakter der logischen Sätze ausgesprochen. Man streitet, ob das Buch eine Theorie der idealen Sprache vertritt, oder ob darin ein (zu) ideales Bild der tatsächlichen, natürlichen Sprache gezeichnet wird. Das Buch enthält zusätzlich noch Skizzen zu einer Theorie der Wahrscheinlichkeit, eine Deutung von Solipsismus und Realismus als mit einander zusammenfallend, eine operationale Theorie der Mathematik, eine Deutung der Naturgesetze als bloß konventionelle Darstellungsformen, die Auffassung, dass es keine Sätze der Ethik geben kann, sowie abschließende Bemerkungen zum „Mystischen“. Zentral ist die Unterscheidung von Sagen und Zeigen und berüchtigt die abschließende Konsequenz, mit der das Buch seine eigenen Sätze für unsinnig erklärt – eben weil sie scheinbar sagen wollen, was sich nur zeigen kann.
Im Vorwort erklärt Wittgenstein als „den ganzen Sinn des Buches“: „Was sich überhaupt sagen läßt, läßt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muß man schweigen.“ Es geht also um die grundsätzlichen Möglichkeiten sprachlichen Ausdrucks, oder, anders gesagt, um die „Logik unserer Sprache“. Wittgenstein ist davon überzeugt, dass er der erste ist, der die korrekte Form der Logik unserer, und damit jeder möglichen Sprache erkannt hat. Damit glaubt er, die Probleme der Philosophie „im Wesentlichen endgültig gelöst“ zu haben, deswegen nämlich, weil es keine echten Probleme der Philosophie geben kann, da alles, was man dafür hält oder hielt, nur aus dem Missverstehen der Sprachlogik entsteht. An den Versuchen früherer Philosophen kann man daher „nur ihre Unsinnigkeit feststellen“. Wittgenstein bedankt sich bei Gottlob Frege und Bertrand Russell für Anregungen zu seinen Gedanken, aber die Gesamtkonzeption ist vollständig seine eigene.
Den Schlüssel zum Verständnis seiner Philosophie sah Wittgenstein in der Unterscheidung von Sagen und Zeigen, die mit der traditionellen Unterscheidung von Inhalt und Form verwandt ist. Wenn man gewöhnliche Aussagesätze bildet, dann sagt man etwas, man drückt einen Inhalt aus, und dieser besteht nach Wittgenstein darin, dass ein Satz ein Bild der Wirklichkeit entwirft – und dass er dann behauptet, dass es sich auch so verhält, wie im Bild dargestellt. Jeder Aussagesatz hat aber auch eine Form, und diese Form kann ihrerseits nicht gesagt werden: Jeder Satz zeigt seine logische Form, er „weist sie auf“. Logische Formen können nicht ausgesagt werden, gerade weil sie das Medium allen Aussagens sind. Alle Philosophie aber befasst sich ausschließlich mit solchen logischen Formen, also mit dem, was nicht gesagt, sondern nur gezeigt werden kann. Darum kann die Philosophie ebenfalls nicht gesagt werden, sondern sie muss sich vollständig im Medium des Zeigens vollziehen. Die Rede von „Problemen der Philosophie“ setzt aber gerade voraus, dass es da etwas gibt, was als philosophisches Problem gesagt, behauptet bestritten und also diskutiert werden kann. Demnach aber beruhen alle angeblichen „philosophischen Probleme“, und damit die gesamte Philosophie vor Wittgenstein, auf einer Verwechslung der logischen Form des Sagens und Zeigens.
Wittgenstein selbst formuliert die radikalen Konsequenzen aus seiner Konzeption: Die Philosophie kann keine Lehre sein, sondern nur eine Tätigkeit – nämlich die Tätigkeit, logische Formen zu klären. Das Ergebnis dieser Tätigkeit sind dann aber nicht wahre Behauptungen oder „philosophische Sätze“, sondern lediglich das „Klarwerden von Sätzen“, die zuvor nicht klar, d.h. in ihrer Logik nicht durchschaut waren. Würde man sie als Behauptungen mit Wahrheitsanspruch auffassen, dann wären also auch die Sätze der Abhandlung unsinnig, und sie müssten überwunden werden. Am Ende des Buches stehen daher nicht wahre Sätze, sondern die Hoffnung, dass Leser/innen die Welt richtig sehen mögen. Diese selbsterklärte Unsinnigkeit der eigenen Äußerungen ist nun ebenso konsequent und unvermeidlich, wie sie andererseits in der Rezeption seit hundert Jahren Unglauben und Widerspruch ausgelöst hat. Die heftigsten Diskussionen der letzten Jahre über das Buch haben gerade von der Forderung, dass man diese Unsinnigkeit ernst nehmen und „resolut“ durchführen müsse, ihren Ausgangspunkt genommen.
Die Logisch-Philosophische Abhandlung besteht aus durchnummerierten, und sowohl sukzessiv als auch hierarchisch geordneten Bemerkungen. Den sieben Hauptsätzen von 1–7 sind die übrigen Sätze untergeordnet. Die Sätze erklären der Reihe nach die Natur der sinnvollen Sätze: Die ist Welt alles, was der Fall ist (1); dasjenige, was der Fall ist, nämlich die Tatsachen, sind als das Bestehen von Sachverhalten zu verstehen (2); das logische Bild solcher Tatsachen ist jeweils ein Gedanke (3); ein Gedanke kann wiederum in der Form eines sinnvollen Satzes sinnlich wahrnehmbar ausgedrückt werden kann (4); der (komplexe) Satz ist eine Wahrheitsfunktion der (einfachen) Elementarsätze, d.h. komplexe Sätze werden ausschließlich aus Elementarsätzen gebildet, die durch Junktoren verknüpft werden (5); die allgemeine Form der Wahrheitsfunktion, und damit des Satzes, kann durch eine einfache induktive Formel der Form [p, x, N(x)] angegeben werden (6); mehr als das, was durch die auf diese Weise gebildeten sinnvollen Sätze gesagt werden kann, kann nicht gesagt werden, weshalb ab hier nur noch das Schweigen übrig bleibt (7). (Alles, was die Abhandlung über satzartige Gebilde enthält, die nach logischer Analyse keine sinnvollen Sätze sind, steht in untergeordneten Nummern.)
Der Gedankengang der LPA entfaltet sich im Einzelnen folgendermaßen: „Die Welt ist alles, was der Fall ist“ (1), nämlich die Summe aller Tatsachen. Die Welt ist also nicht die Gesamtheit der Dinge, weil die Dinge nur die unveränderliche Substanz der Welt ausmachen, denen das Vokabular entspricht, aus dem überhaupt erst Sätze gebildet werden können (1.1). Es gibt keinen logischen Zusammenhang zwischen den Tatsachen, denn für jede einzelne Tatsache gilt, dass sie bestehen oder auch nicht bestehen kann (1.21). (Diese atomistische Auffassung von Tatsachen wurde zuerst von Hume vertreten.) Tatsachen aber sind „das Bestehen von Sachverhalten“ (2), d.h. Sachverhalte sind mögliche Tatsachen, und die Philosophie interessiert sich für das Spektrum der grundsätzlichen Möglichkeiten, nicht so sehr für das, was kontingenterweise der Fall ist (was aber auch anders sein könnte). Tatsachen aber bestehen darin, dass sich Gegenstände auf bestimmte Weisen zu einander verhalten können („A liegt links von B“). Diese Gegenstände sind das Material, aus dem Tatsachen bestehen: Man muss sie als gegeben voraussetzen, und sie bilden daher die „Substanz der Welt“ (2.021). Tatsachen sind Konfigurationen von solchen Gegenständen (die ihrerseits einfach sein müssen, um die freie Kombinierbarkeit zu gewährleisten), und wir können sprachlich diese Konfigurationen nachbilden. Dadurch machen wir uns „Bilder der Tatsachen“ (2.1). Diese Bilder haben dann die logische Struktur mit der Wirklichkeit gemeinsam, es sind logische Bilder: „Das logische Bild der Tatsachen ist der Gedanke.“ (3) Weil nun Gedanken solche logischen Bilder sind, darum können wir gar nichts „Unlogisches denken“ – denn das wäre dann eben kein logisches Bild und darum auch kein Gedanke. Ausdruck finden Gedanken vor allem in Sätzen: „Im Satz drückt sich der Gedanke sinnlich wahrnehmbar aus.“ (3.1) Sätze werden mit Namen gebildet, die jeweils für einen (einfachen) Gegenstand, oder für Komplexe von Gegenständen stehen. Man kann Sätze aber vollständig logisch analysieren, so dass in ihnen nur noch einfache Namen vorkommen (3.2). Dadurch erhalten wir Elementarsätze, aus denen alle komplexen Sätze zusammengesetzt werden können. Sätze haben Sinn, nämlich dasjenige Bild der Tatsachen, welches sie zeigen; Namen haben dagegen Bedeutung, sie benennen nämlich jeweils einen bestimmten Gegenstand (3.3). Die Funktionsweise der Zeichen, nämlich die „logische Grammatik – die logische Syntax“ (3.325) kann jedoch sehr unterschiedlich sein. Wenn man die logische Syntax beachtet, dann zeigt sich beispielsweise, dass logische Paradoxien, wie Russells Paradox, gar nicht korrekt notiert werden können und daher nur Scheinprobleme sind, die lediglich auf einer Unklarheit der Notation beruhen (3.333). Sätze stehen in logischen Verhältnissen zu einander, so sieht man, dass in f(a) und g(a) vom gleichen Gegenstand die Rede ist, aber verschiedene Eigenschaften ausgesagt werden, während es bei f(a) und f(b) umgekehrt ist. (Dies zeigt sich, kann aber eben deshalb nicht ausgesagt werden.) So ist in jedem Satz aufgrund der Möglichkeiten der Ersetzung von Teilausdrücken bereits ein Raum anderer möglicher Sätze angelegt (3.4). Ein Gedanke ist als ein logisches Bild der Tatsachen ein sinnvoller Satz (4). Der sinnvolle Satz ist ein Bild oder Modell der Wirklichkeit. Dieser Bildcharakter zeigt sich vor allem darin, dass wir Sätze verstehen können, die wir noch nie gehört haben, und von denen wir nicht wissen, ob sie wahr sind. Ein Satz zeigt also seinen Sinn, und sein Sinn kann dann mit der Wirklichkeit auf seine Wahrheit hin verglichen werden. Nur Sätze, die diesen Vergleich erlauben, haben überhaupt Sinn. (Das ist der Grundgedanke des Verifikationsprinzips, das in der LPA angelegt, aber nicht ausdrücklich formuliert ist.) Sätze der Philosophie sind jedoch nicht von dieser Art, sie haben daher keinen Sinn. Sätze können also zwar sämtliche möglichen Tatsachen darstellen, aber eines können sie nicht aussagen: nämlich ihre eigene logische Form: „Was gezeigt werden kann, kann nicht gesagt werden.“ (4.116) Damit hat die Abhandlung ihr eigentliches Thema erreicht, die logische Form unserer Sprache. Alles, was gesagt werden kann, könnte auch anders sein; aber das, was sich zeigt, ist wesentlich und könnte nicht anders sein. Die Hauptaufgabe des Buches besteht nun darin, die grundlegende, wesentliche logische Form aller Darstellung, also aller Sätze aufzuzeigen.
Dagegen sind Formenreihen (wie etwa die Reihe der natürlichen Zahlen), die durch eine „interne Relation“ geordnet sind, vollständig unabhängig von allen Tatsachen und somit nicht durch sinnvolle Sätze ausdrückbar.
Aber zurück zu den sinnvollen Sätzen. Deren logische Formen kann man in aufsteigender Komplexität systematisch ordnen. Ein einfacher sinnvoller Satz, ein Elementarsatz, drückt das Bestehen (oder Nichtbestehen) eines Sachverhalts aus (4.21). Da die Sachverhalte von einander unabhängig sind, kann ein Elementarsatz keinem anderen logisch widersprechen. Es können daher sämtliche möglichen Kombinationen des Wahr- oder Falschseins vorkommen, und diese kann man in einer Wahrheitstafel systematisch notieren: Für einen Satz p gibt es 2 Möglichkeiten (W und F), für zwei Sätze, p und q, 4 Möglichkeiten (WW, WF, FW und FF), usw. Davon ausgehend kann man nun über die Wahrheitsbedingungen komplexe, durch Junktoren verbundene Sätze bilden (etwa „p oder q“ oder „~p oder q“, 4.442). Diese Möglichkeiten kann man wiederum systematisch ordnen, für zwei Sätze, p und q, ergeben sich 16 Möglichkeiten (5.101). Darunter gibt es zwei Grenzfälle, nämlich die Tautologie („p oder ~p“), die bedingungslos, also immer wahr ist, und die Kontradiktion („p und ~p“), die unerfüllbare Bedingungen stellt und also niemals wahr ist (4.46). Beide stellen daher kein Bild der Wirklichkeit dar und sind sinnlos, nämlich ohne Sinn. Weil sämtliche komplexen Sätze auf die angegebene Weise gebildet werden, kann man die allgemeine Form des Satzes dadurch angeben, dass man diese Bildungsweise exakt formuliert (4.5). Der komplexe Satz ist nämlich aufgrund der zugrunde gelegten Wahrheitsbedingungen „eine Wahrheitsfunktion der Elementarsätze“ (5). (W entwirft eine Konzeption sinnvoller Sätze, nach der diese sämtlich durch die Grundformen der Aussagenlogik erzeugt werden können, erweitert lediglich um eine primitive Notation für „alle“, ohne die Verwendung von Quantoren.)
Die auf diese Weise rein formal gebildeten Strukturen der Sätze stehen daher „in internen Beziehungen zu einander“ (5.2), und diese Beziehungen können durch logische Operationen ausgedrückt werden. Die einfachste logische Operation ist die Verneinung, die aus dem Satz p den verneinten Satz ~p erzeugt. Sämtliche logischen Junktoren sind als Operationen aufzufassen, d.h. sie tragen nichts zur Bildhaftigkeit, und also nichts zum Sinn der Sätze bei. Logische Zeichen stehen für nichts, es gibt also keine „logischen Gegenstände“ (5.4). Das logische Vokabular hebt lediglich (ähnlich wie die Verwendung von Klammern, 5.461) interne Beziehungen zwischen sinnvollen Sätzen hervor, und zwar würden diese Beziehungen auch ohne die logischen Zeichen bestehen. Man kann nun allein mit der Operation des „weder p, noch q“ (üblicherweise mit dem senkrechten Shefferstrich notiert) alle übrigen Operationen definieren (5.5), und zwar für beliebig viele Sätze. Daraus ergibt sich die „allgemeine Form der Wahrheitsfunktion“ (6), und diese ist nichts anderes als die allgemeine Form des Satzes. Damit hat W, ausgehend von der Voraussetzung, dass die Elementarsätze sämtliche mögliche Information über die Welt enthalten, aufgezeigt, wie aus diesen einfachsten Sätzen beliebig komplexe Satzgebilde erzeugt werden können. Es kann dann keine dadurch nicht erfassten sinnvollen Sätze geben: Alle sinnvollen Sätze sind wahrheitswertfunktional geordnet.
Der übrige Teil der LPA behandelt nun gerade die Fälle, die durch die allgemeine Form des Satzes nicht erfasst werden können. Dazu gehören etwa Sätze, in denen von einem Subjekt die Rede ist. Ein empirisch gegebenes Subjekt ist jedoch für W einfach ein Gegenstand der Psychologie, die er als Naturwissenschaft auffasst, und Sätze über empirische Subjekte sind daher einfach Tatsachensätze (5.541). Das nicht-empirische Ich dagegen, nämlich meine eigene Subjektivität, mit der ich der Welt gegenübertrete, ist für W kein Teil der Welt, keine Tatsache in der Welt, sondern die Grenze der Welt (5.632). Meine eigene Subjektivität, W spricht vom „metaphysischen Subjekt“ (5.641), ist kein Inhalt, keine Tatsache, sondern es ist die Form, in der ich, mit meiner Sprache, die Tatsachen der Welt darstelle. (Das metaphysische Subjekt drückt sich sprachlich durch die Verwendung der ersten Person aus.) Daher gilt: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ (5.6) Da ich aber eine vollkommen objektive, unpersönliche Tatsachendarstellung anstrebe, kann ich das Resultat als eine Form des Realismus (der den Subjektbezug ausklammert), aber ohne inhaltlichen Unterschied auch als eine Form des Solipsismus (der den Subjektbezug universal auffasst und dadurch auf keine Tatsache in der Welt bezieht) deuten (5.62–5.64). Ob ich die objektive Sprache verwende, oder ob ich die objektive Sprachform ohne Bezug auf ihre Entstehung betrachte, macht für den Inhalt der Darstellung keinen Unterschied. (Man kann darin den Einfluss Schopenhauers sehen, mit der Betonung des wesentlichen wechselseitigen Bezugs von Subjekt und Objekt.)
Die Sätze zwischen den Hauptsätzen 6 und 7 behandeln der Reihe nach weitere Ausnahmefälle. Dabei ist ein zentrales Motiv die Auffassung, dass es „keine Ordnung der Dinge a priori“ gibt (5.634), und dass daher von Vernunftwahrheiten oder apriorischen Sätzen nicht die Rede sein kann. Zunächst erläutert W die Natur der Logik: „Die Sätze der Logik sind Tautologien.“ (6.1) Das bedeutet, dass genau diejenigen Sätze logisch wahr sind, die eine tautologische Form haben (wie „es regnet oder es regnet nicht“) – dass es aber keinen eigenen Gegenstand logischer Sätze gibt. Die Sätze der Logik sagen daher „Nichts“ (6.11), sie sind ohne Sinn, d.h. ohne Bezug zur Wirklichkeit. In der Logik gibt es kein Apriori, etwa ein Apriori der notwendigen Denkgesetze. (Mit dieser Konzeption hat W einen „logischen Empirismus“, wie ihn der Wiener Kreis vertrat, erst möglich gemacht.) Wenn die Sätze der Logik Tautologien sind, dann gilt das für jeden einzelnen Satz der Logik –dann stehen aber alle logisch wahren Sätze auf derselben Stufe, es gibt keine logischen Grundgesetze oder Axiome und daneben abgeleitete logisch wahre Sätze. Die gesamte Logik reduziert sich auf die tautologische Form. (Gödel wollte genau diese Auffassung mit seinen bekannten Unvollständigkeitssätzen widerlegen.) Die Logik drückt daher nur die möglichen Verbindungen von sinnvollen Sätzen aus, und als Bedingung der Möglichkeit der Verbindung von Sätzen nennt Wittgenstein sie „transzendental“ (6.13).
Die Mathematik deutet Wittgenstein als der Logik eng verwandt, nämlich als eine „logische Methode“ (6.2). Die Sätze der Mathematik sind Gleichungen – sie drücken grundsätzlich keine Gedanken aus, sondern nur die Ersetzbarkeit der Ausdrücke auf beiden Seiten des Gleichheitszeichens. Die Methode der Mathematik ist daher das Ersetzen nach festen Regeln, eben die „Substitutionsmethode“ (6.24). Außer der Kenntnis der Regeln ist dafür keine Anschauung im Sinne Kants nötig (6.233).
Sätze, die Naturgesetze ausdrücken, haben die Form der Allgemeinheit („alle Massen ziehen einander an“) – und diese Allgemeinheit kann nicht durch endlich viele Tatsachen dargestellt werden. Naturgesetze stellen also keine Tatsachen dar, und sie können also auch nicht verifiziert werden. (Dies ist der Grundgedanke von Poppers Wissenschaftstheorie. Für Wittgenstein gibt es allerdings, anders als für Popper, auch keine Falsifikation.) Streng genommen ist außerhalb der Logik „alles Zufall“ (6.3). Naturgesetze sind daher, logisch betrachtet, nur Formen, mit denen wir endliche Reihen von Tatsachen übersichtlich darstellen. Diese Formen haben, ähnlich wie die Formen der Geometrie, keinen empirischen Gehalt, und sie können nur durch ihre Zweckmäßigkeit unterschieden werden. Die Induktion, als eine Methode von einer Reihe von Fällen zu einem allgemeinen Gesetz zu gelangen, hat für Wittgenstein somit keine logische, sondern nur eine psychologische Bedeutung, nämlich die, dass wir versuchen, das einfachste Gesetz anzunehmen, um unsere Erfahrungen darzustellen (6.3631).
Für Wittgenstein gibt es hier auch nichts, was in Kants Sinn synthetisch a priori wäre, denn das was z.B. das Kausalprinzip ausschließen sollte, kann gar nicht wirklich beschrieben werden (6.362). (Ähnlich wie Russells Paradox und Freges logische Gegenstände erübrigen sich Kants Kategorien durch den Verweis auf eine angemessene Notation.) Insbesondere verfehlt ist hier jedoch die Annahme, dass die Naturgesetze die „Erklärungen der Naturerscheinungen“ seien – da ist die Rede von Gott oder dem Schicksal als Erklärung immer noch klarer, wie Wittgenstein sarkastisch anmerkt, weil dadurch ein klarer Abschluss unserer Erklärungsbemühung ausgedrückt ist (6.371).
Bezogen auf Fragen der Ethik hält Wittgenstein zunächst fest: „Alle Sätze sind gleichwertig.“ (6.4) Sinnvolle Sätze sind ja darin gleichwertig, dass sie Tatsachen ausdrücken, aber dazu gehört nichts, was einen „Wert“ hat. Es kann daher keine Sätze der Ethik keine geben, denn diese müssten etwas „Höheres“ (6.42) ausdrücken. Ein Satz, der ein ethisches Gebot ausdrückt, müsste ein kategorischer Imperativ sein, der sagt: „Du sollst…“. Nach W gibt es dann aber auf die Gegenfrage: „Und was dann, wenn ich es nicht tue?“ keine mögliche Antwort. Die Ethik kann nicht ausgesprochen werden, und sie kann auch nicht aus Sollenssätzen bestehen – für W bleibt somit nur die Möglichkeit, dass es die Ethik mit der Haltung des metaphysischen Subjekts zur Welt insgesamt zu tun hat, und weder mit Tatsachen noch mit irgendwelchen individuellen Handlungen (die ebenfalls Tatsachencharakter hätten). Durch die richtige oder falsche Haltung wird dann die Welt „sozusagen als Ganzes abnehmen, oder zunehmen“. Die Welt des Glücklichen ist dann „eine andere als die des Unglücklichen“ (6.43).
Der eigene Tod gehört entsprechend ebenfalls nicht als Tatsache zur Welt. Da beim Tod die Welt einfach aufhört, erlebt man ihn nicht. Die Annahme einer unsterblichen Seele, als einer möglichen Tatsache, würde auch nicht weiter führen, weil keine Tatsache ethische Bedeutung haben kann (6.4312). Für die Belange der Ethik sind die Tatsachen irrelevant, sie gehören alle „nur zur Aufgabe, nicht zur Lösung“ (6.4321). Ethisch relevant ist kein „wie“ sondern allein das „dass“, nämlich die Existenz der Welt, und in dieser Hinsicht ihre „mystische“ Betrachtung als „begrenztes Ganzes“, nämlich als ein Ganzes, welches durch das Subjekt begrenzt ist (6.45).
Zur Philosophie bemerkt Wittgenstein zunächst, dass es „das Rätsel“ (6.5), das frühere Philosophen zu lösen versuchten, nicht gibt, und nicht geben kann. Das liegt daran, dass Frage und Antwort logisch von gleicher Art sein müssen: Wenn man eine Frage sinnvoll formulieren kann, kann muss es dazu grundsätzlich auch eine sinnvolle Antwort geben. Dies schließt das Vorkommen von tiefen, unbeantwortbaren Rätseln, über die man nur nachgrübeln kann, aus. Wenn es aber keine Antwort gibt, dann kann es entsprechend auch keine sinnvolle Frage geben. Dadurch erübrigt sich auch der Skeptizismus, der behaupten will, dass es auf all unsere Fragen keine Antworten gibt (6.51). Bezogen auf die „Probleme des Lebens“ merkt Wittgenstein an, dass diejenigen, denen der Sinn des Lebens klar wurde, dies nicht sagen, also in einem sinnvollen Satz ausdrücken konnten – da auch hier keine sinnvolle Frage vorliegen kann.
Wenn man Philosophie konsequent betreiben wollte, müsste man daher lediglich Tataschen feststellen, also Sätze der Naturwissenschaft sagen – und nur, wenn jemand etwas unsinnige, metaphysische Sätze sagen wollte, wäre nachzuweisen, dass in diesen Sätzen Zeichen ohne Bedeutung vorkommen. Dies aber würde gar nicht als ein Lehren der Philosophie angesehen werden (6.53). Wittgenstein illustriert abschließend die Methode, die er selbst in seinem Buch praktiziert, durch den Vergleich mit einer Leiter. Man muss mit Hilfe seiner Sätze stufenweise hinaufsteigen; am Ende, nachdem diese Sätze ihre erläuternde Aufgabe erfüllt haben, wird man sie als unsinnig erkennen und sie (als Sätze) hinter sich lassen. Man muss „diese Sätze überwinden“, erst dann sieht man die Welt richtig“ (6.54).
Und schließlich bleibt nichts weiter zu sagen übrig, ob sinnvoll, wie ein logisches Bild von Tatsachen, sinnlos wie eine Tautologie oder Kontradiktion, oder unsinnig, wie ein Satz, der scheinbar etwas behauptet, der aber nur eine erläuternde Funktion hat: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.“ (7)
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