Kommentar |
Die Rede vom „Digitalen Kapitalismus“ hat Konjunktur (z.B. in den Arbeiten von Pfeiffer, Staab und Zuboff). Ausgangspunkt ist die Annahme, dass gegenwärtige technologische Innovation und ihre gesellschaftliche Diffusion („Digitalisierung“), neue Qualitäten einer gleichwohl weiterhin als Kapitalismus zu beschreibender Gesellschaft hervorbringt. Prominente Zeitdiagnosen zum „Digitalen Kapitalismus“ beleuchten hier einzelne Aspekte vor allem in der Arbeit (z.B. das Entstehen eines globalen Informationsraums, Automatisierungsschübe, neue Formen der digitalen Arbeitsteilung und Wertschöpfung) und der Ökonomie (z.B. der Funktionswandel des Privateigentums, Entstehen „proprietärer Märkte“, überwachungsbasierte Ausbeutung der Kommunikation und gesamten Lebensführung und Entwicklung der Distributivkräfte). Wenn der Digitale Kapitalismus aber als gesellschaftstheoretisch Zeitdiagnose plausibel sein will, dann reicht es nicht, Veränderungen in der Arbeit und der Ökonomie zu verstehen, sondern es müssen gleichzeitig auch die Bereiche der Politik und der Kultur bzw. spezifischer Subjektivitätsformen in den Blick genommen werde. Tatsächlich gibt es auch hier schon eine Vielzahl von einschlägigen Analysen, z.B. zu verschiedenen Regulierungsformen des Digitalen Kapitalismus zum digitalen Strukturwandel, der durch Medien organisierten Öffentlichkeiten und seine Folgen für die Demokratie, zum „Geist“ des Digitalen Kapitalismus und zur optimierten Lebensführung im Digitalen Kapitalismus. Es wird Zeit diese Arbeiten systematisch aufeinander zu beziehen. Im Seminar machen wir einen - aufgrund der Fülle und Breite vorliegender Arbeiten notwendig unvollständigen - ersten Versuch und nutzen hierfür eine um kulturelle Dimensionen erweiterte regulationstheoretische Heuristik von Akkumulationsregime und Regulationsweise des Digitalen Kapitalismus.
Literatur zur Einführung:
Nachtwey, Oliver; Staab, Philipp 2020. »Das Produktionsmodell des digitalen Kapitalismus«, in Soziale Welt Sonderband 23, S. 285–304.
Seidl, Timo 2021. »Commodification and Disruption: Theorizing Digital Capitalism«, in Centre for European Integration Research Working Paper Series 2021, 2, S. 1–28.
Jessop, Bob; Sum, Ngai-Ling 2013. »Kulturelle Politische Ökonomie und der Regulationsansatz«, in Fit für die Krise?: Perspektiven der Regulationstheorie, hrsg. v. Atzmüller, Roland et al., S. 57–89. Münster: Westfälisches Dampfboot.
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