Die gesellschaftlichen Herausforderungen, die in der Öffentlichkeit gegenwärtig so prominent sind – so der Ausgangspunkt des Seminars – sind zu großen Teilen technologiepolitische Angelegenheiten: der Wandel der Arbeit durch die Digitalisierung, die Begegnung des Klimawandels durch die Strategie einer sozial-ökologischen Transformation, neue demokratische Beteiligungsverfahren die die Krise der Demokratie bekämpfen sollen, Bio- und Reproduktionstechnologien, die alte Geschlechterordnungen umwälzen oder die Vermeidung von Wirtschaftskrisen durch ökonomische Planungsmodelle.
Sind wir aber überhaupt darauf vorbereitet, Technologie politisch zu denken – oder ist das Fokussieren auf technologische Möglichkeiten selbst bereits Produkt eines zukunftslosen Denkens, da Möglichkeitsräume anderweitig kaum auszumachen sind? Hat es sich als trügerisch herausgestellt, dass der technologische Wandel allein als wirtschaftliche Kraft konzeptionalisiert wird, womit demokratische Gesellschaften sich für den Bereich einer wie auch immer gearteten Technikpolitik selber disqualifizieren?
Während einige prominente Positionen selbstbewusst vertreten, dass mit der Digitalisierung der letzte technologische Schub innerhalb des Kapitalismus stattgefunden habe, und somit der Übergang zum Post-Kapitalismus (Paul Mason) kurz bevorsteht, betonen wiederum andere Positionen, dass technologischer Wandel immer das Ergebnis sozialen Aushandelns angesichts ungleich verteilter Voraussetzungen ist. Wird uns also die Technologie befreien, oder müssen wir die Technologie erst aus ihrer problematischen Einbettung in der Gesellschaft befreien?
In diesem Seminar soll ausgehend von diesen Überlegungen danach gefragt werden, ob die Sozialwissenschaften analytisch und insbesondere normativ überhaupt gewappnet sind, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen – da bisher vor allem Technikkritik- und pessimismus oder gar eine komplette Technikvergessenheit vorherrschte. Es wird also darum gehen, wie Technologie überhaupt als soziales Phänomen gedacht und beforscht werden kann, um sich daran anschließend der Hauptfrage zu widmen: Was ist von Technologie hinsichtlich ihrer emanzipativen Potenziale zu halten?
Wir werden zu Beginn des Seminars grundlegende soziologische Stellungnahmen dazu besprechen, um daran anschließend an Beispielen die Frage nach dem emanzipatorischen Gehalt von Technologien im Bereich der Demokratisierung, des Klimawandels, der Geschlechtergerechtigkeit sowie der Arbeit und des wirtschaftlichen Systems zu besprechen.
Donna Haraway (1990) A manifesto for cyborgs: Science, technology, and socialist feminism in the 1980s. In: Nicholson L (ed) Feminism/postmodernism. Routledge, London, pp 190–233
Helen Hester (2018) Xenofeminism. Polity, Cambridge, UK ; Medford, MA
Judy Wajcman (2004) Technofeminism. Polity, Cambridge, UK ; Malden, MA
Srnicek N, Williams A (2015) Inventing the Future: Postcapitalism and a World Without Work. Verso, London |