Kommentar |
Jahrestage und Jubiläen sind zentrale Bestandteile unserer Geschichtskultur, die sinn- und identitätsstiftend wirken. Wie sie begangen oder gefeiert werden, ist jedoch sehr unterschiedlich: Die Spannbreite reicht von politischen Reden sowie Gesten und Ritualen bei Kranzniederlegungen und staatlichen Gedenkveranstaltungen bis hin zu eher zivilgesellschaftlichen Formen, wie etwa historischen Reenactments von Schlachten und Aufständen oder Kundgebungen und Demonstrationen.
Die Übung widmet sich diesen vielfältigen Facetten der Jubiläumskultur anhand ausgesuchter Beispiele. Das Ziel ist es, die theoretischen und methodischen Grundlagen einer Analyse dieses Public-History-Phänomens zu erarbeiten, um anschließend ausgewählte Fallbeispiele aus Gegenwart und Vergangenheit zu analysieren. Denn Jubiläen sind – auch wenn die kalendarische Logik, der sie folgen, es anders erscheinen lässt – nichts Stetiges und Gegebenes, sondern unterliegen der Veränderung. In der Übung greifen wir daher die Forderung nach mehr „Jubiläums-Kompetenz” (Marco Demantowsky) auf und fragen danach, wie sich Gedenktage über die Zeit verändert haben und wie diese Veränderungen analysiert werden können. Wie wurde und wird etwa das Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland und in den Staaten der (ehemaligen) Sowjetunion am Jahrestag des 8./9. Mai erinnert und inszeniert? Welche Bedeutung hat der 9. November zwischen dem Gedenken an die Reichspogromnacht im Nationalsozialismus und dem Fall der Berliner Mauer im Herbst 1989? In der Übung nähern wir uns einer kritischen Analyse der Jubiläumskultur als Teil der Geschichte in Medien und Öffentlichkeit.
Literatur: Winfried Müller (Hrsg.), Das historische Jubiläum. Genese, Ordnungsleistung und Inszenierungsgeschichte eines institutionellen Mechanismus, Münster 2004; Paul Münch (Hrsg.): Jubiläum, Jubiläum...Zur Geschichte öffentlicher und privater Erinnerung, Essen 2005; Jacqueline Nießer, Juliane Tomann (Hrsg.): Angewandte Geschichte. Neue Perspektiven auf Geschichte in der Öffentlichkeit, Paderborn 2014; Markus Drüding: Historische Jubiläen und historisches Lernen, Frankfurt a.M. 2020. |