Kommentar |
Vom Aufstieg rechtspopulistischer Parteien, der in fast allen westlichen Demokratien in den letzten Jahrzehnten zu beobachten war, waren die etablierten Parteien in ganz unterschiedlicher Weise betroffen. Für alle Parteien links der Mitte war es relativ klar, dass sie in diesen neuen Parteien in erster Linie politische Gegner (und nur zum Teil auch Konkurrenten um Wähler) sahen. Dagegen waren etablierte Parteien des Mitte-rechts-Spektrums in ganz anderer Weise herausgefordert: Rechtspopulisten nahmen ihnen nicht nur Wähler weg, sondern oft auch politische Themen, von denen sie meinten, über die issue-ownership zu verfügen, z.B. alles was sich auf Recht und Ordnung insb. im Zusammenhang mit Einwanderung bezog.
In der Vorlesung soll es darum gehen, nach einigen theoretischen und begrifflichen Klärungen anhand von qualitativ-strukturellen Fallstudien zu untersuchen, wie Mitte-rechts-Parteien auf die populistische Herausforderung reagierten und reagieren. Um zwei ganz unterschiedliche Beispiele zu nennen: Die Schweizerische Volkspartei, die sich unter der Führung von Christoph Blocher nach allgemeinem Urteil zu einer prototypischen populistischen Partei entwickelte, blieb Teil der übergroßen Regierungskoalition, wurde nach und nach zur elektoral stärksten Partei innerhalb dieser Koalition, was sogar Änderungen in der berühmten Zauberformel nach sich zog. Der schweizerischen Mitte-rechts-Partei, der Christdemokratischen Volkspartei, gelang es nie, diesen SVP-Aufstieg und den damit verbundenen eigenen elektoralen Niedergang zu stoppen. Dagegen hat die Konservative Partei Großbritanniens völlig anders auf die Herausforderung reagiert, indem sie – freilich unter den ganz anderen Bedingungen des relativen Mehrheitswahlsystems in einer Lijphardschen Konkurrenzdemokratie – den Populismus der UKIP zum Teil inhaltlich und stilistisch übernommen und den Brexit umgesetzt hat. Damit hat sie in der General Election vom Dezember 2019 eine große parlamentarische Mehrheit gewonnen, während die UKIP (bzw. deren Nachfolgepartei) in der elektoralen Bedeutungslosigkeit versank. |
Literatur |
Grabow, Karsten, Im Sinkflug? Stand und Perspektiven christlich-demokratischer Parteien in Europa. Analysen & Argumente Nr. 353 (Juni 2019), Berlin: Konrad-Adenauer-Stiftung.
Heinze, Anna-Sophie, Strategies of mainstream parties towards their right-wing populist challengers: Denmark, Norway, Sweden and Finland in comparison”, in: West European Politics 41/2 (2017), S. 287–309, DOI: 10.1080/01402382.2017.1389440.
Dies., Die Parlamentswahlen in Dänemark 2019, Midem Policy Brief 2019-3 (https://forum-midem.de/cms/data/fm/user_upload/TUD_MIDEM_PolicyBrief_2019-3_DINA4_RZDaenemark.pdf ); auf der Seite von Midem gibt es zahlreiche weitere Analysen europäischer Wahlen. |