Kommentar |
Das Jahr 1945 ist nicht nur ein historisch-politisches, sondern auch ein literaturgeschichtliches Epochenjahr. Denn mit dem Ende des 2. Weltkriegs und der nationalsozialistischen Herrschaft, der beginnenden Neuordnung Deutschlands, dem Wiederentstehen einer freien Öffentlichkeit und dem gleichzeitig immer stärkeren Bewusstwerden der deutschen Verbrechen entsteht eine Situation, zu der sich die literarischen Autoren verhalten müssen. Daher kann man von einer Konstellation sprechen: Um das zentrale Ereignis 1945 herum gruppieren sich Autoren und Autorengruppen, die zu verschiedenen Generationen gehören, die die 12 Jahre der NS-Herrschaft höchst unterschiedlich erfahren haben und auch verschiedene literarische Vorstellungen vertreten. So wird die Situation in den ersten Nachkriegsjahren von älteren Autoren wie Thomas Mann und Bertolt Brecht kommentiert, die aus dem Exil nach Europa zurückkehren. Dagegen war ein Autor wie Gottfried Benn in Deutschland geblieben und verstand diese Lebensphase nun als ‚Innere Emigration‘. Ein Wehrmachtssoldat wie Heinrich Böll veröffentlichte seine ersten Erzählungen. Aber auch die Perspektive der Opfer kam zu Wort, zum Beispiel in Paul Celans großem Gedicht „Todesfuge“ oder in Elisabeth Langgässers Erzählung „Saisonbeginn“. Im Seminar wollen wir Texte dieser und anderer Autoren lesen und fragen, wie sie sich zu den Herausforderungen und drängenden Fragen der Schnittstelle 1945 verhalten. |