1456 verfasste der in Bern lebende Thüring von Ringoltingen seine Melusine und schuf einen der ersten deutschsprachigen Prosaromane. Seine Bearbeitung der aus Frankreich stammenden Vorlage stellt aber mehr als eine reine Übersetzung dar. Ringoltingen weicht nicht nur von ihr ab, sondern schreibt seiner Melusine einen neuen Sinn ein.
So erzählt zwar auch Ringoltingen von der ungewöhnlichen Liebe von Reymund und dem übernatürlichen Wesen Melusine, von den Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit Liebe und Ehe beständig bleiben, von Reymunds Scheitern, sich an das auferlegte Gebot zu halten und von dem Verlust seines Glücks. Das Narrativ der ,gestörten Mahrtenehe‘ wird um Episoden erweitert, in denen von den Helden- und teilweise Schandtaten der Söhnen berichtet wird. Daneben webt Ringoltingen zahlreiche christliche Elemente in seinen Roman ein, durch die sogar die Dämonin Melusine entgegen der Tradition eine fromme Christin ist.
Im Seminar wollen wir uns der Melusine unter verschiedenen Forschungsperspektiven nähern, um einerseits den Text einer genauen Analyse zu unterziehen und andererseits einen Überblick über zentrale Forschungsfragen der Germanistischen Mediävistik zu gewinnen:
- Erzähltheorie
- Rezeptionstheorie
- Genderstudies
- Kulturwissenschaften
- Literatursoziologie
- Überlieferungsgeschichte
Ein weiterer Schwerpunkt wird die Romantheorie sein, die wir von der ÄDL bis zur NDL betrachten wollen und bei der uns Dr. Hannes Höfer mit seiner literaturwissenschafltichen Expertise und Oliver Mothes mit seinem Expertenwissen im Fach Digital Humanities begleiten werden. |