Kommentar |
Ton (gebrannte Erde, terracotta, terre cuite) ist ein Werkstoff, dessen sich die Bildhauer schon seit der Antike bedient haben. Die gute Modellierbarkeit ebenso wie die Farbigkeit, die der menschlichen Haut ähnelt, bestimmten ihn zum Material par excellence für das künstlerische Entwerfen, etwa für die präzise Nachschöpfung von Körper und Antlitz sowie verschiedenster Oberflächen. Ist das Arbeiten in Ton also ähnlich wie das Zeichnen eng mit der ersten Formulierung bildhauerischer Idee verbunden, so lassen sich Tonfiguren nach dem Brennen mühelos reproduzieren. Der Werkstoff steht daher ebenso am Anfangs- wie am Endpunkt der bildhauerischen Produktion.
Das Seminar untersucht Kontinuität und Wandel in der Bedeutung des Materials vom Mittelalter bis in die Moderne. Dabei werden drei große Zeitschnitte betrachtet: Den Auftakt bildet das frühe 15. Jahrhundert, als der Ton gleichzeitig im Florenz Donatellos wie in den deutschen städtischen Zentren an Rhein und Donau wiederentdeckt wurde. Der zweite Zeitschnitt konzentriert sich auf die großen Bildhauer des 18. Jahrhunderts, Jean Antoine Houdon und Joseph Chinard, die das Porträt in Ton auf ein künstlerisch unerreichtes Niveau hoben. Der dritte Zeitschnitt ist jenen Bildhauern des 19. und 20. Jahrhunderts gewidmet (Auguste Rodin, Camille Claudel, Alberto Giacometti, Tony Cragg), die den Werkstoff dazu einsetzten, Phänomene von Zeit und Bewegung, Wachstum und Verfall, anschaulich zu machen. |