Kommentar |
„Literaturtheorie“ ist ein schillernder Name, der die unterschiedlichsten Arten der Reflexion von Gegenständen wie Methoden unseres Faches rahmt. Dabei geht es zuallererst um die Frage, was „Literatur“ denn eigentlich sei und wie entsprechend ihre Interpretation auszusehen hat. Weiter lässt sich bedenken, ob der Autor mit seiner Intention wichtig für die Deutung ist, ob er genial war und es der Interpret darum genauso zu sein hat, ob Literaturgeschichte männlich ist, was Geschlecht eigentlich mit Sprache zu tun hat, was Sprache überhaupt ist und wie sich das bestimmen lässt … Theoretisch kann man sich, anders gesagt, in der Literaturwissenschaft mit fast allem beschäftigen, was nicht zur Interpretation von Literatur gehört. Um Orientierung in diesem Feld zu schaffen, sieht das Seminar eine Dreiteilung vor, nach der sich eine Auswahl an relevanten literaturtheoretischen Texten ergeben kann, die in den Sitzungen diskutiert werden sollen. Zunächst sollen gegenstandsbezogen die grundlegenden Konzepte des Faches näher untersucht, also buchstäblich die „Grundfragen der Literaturwissenschaft“ gestellt werden: Was ist Literatur? Wie verläuft Interpretation? Wer oder was ist ein Autor? Sodann soll den historischen und systematischen Aspekten der prominentesten Antworten, die auf diese Fragen bisher gegeben wurden, Rechnung getragen werden, indem theoriebezogen einzelne Denkansätze näher untersucht werden: Hier geht es um die zentralen Unterschiede zwischen Hermeneutik, Strukturalismus und Dekonstruktion sowie um die Akzente, welche die Diskursanalyse und die Gender wie Postcolonial Studies im Fach gesetzt haben. Dabei werden die unterschiedlichen Gegenstände, Methoden und Voraussetzungen der einzelnen literaturtheoretischen Ansätze vergleichend gegenübergestellt. Schließlich sollen sich praxisbezogen die theoretischen Anregungen an der Interpretation eines Textes bewähren. Am Beispiel von Heinrich von Kleists Novelle „Das Erdbeben in Chili“ soll abschließend die Gelegenheit gegeben werden, die Anwendbarkeit und Relevanz der so verschiedenen Fragestellungen und Denkangebote gemeinsam zu prüfen. |