Die Wiederaufnahme der Bayreuther Festspiele mit Werken Richard Wagners im Jahr 1951 stand in dem Maße, wie sie politisch in die Allgemeine Geschichte involviert blieb, musikästhetisch gewissermaßen außerhalb der Musikgeschichte: Zeitgleich entwickelte die Neue Musik mit Namen wie Luigi Nono, Pierre Boulez oder Karlheinz Stockhausen eine Ästhetik, die endgültig mit jeglichen kunstreligiös-sakralisierenden und politischen Einflüssen des 19. Jahrhunderts brach. Darüber hinaus verbot sich eine bruchlose Wiederanknüpfung an diese Ästhetik durch die Verstrickung der Bayreuther Festspiele in den Nationalsozialismus und dessen populistischen Veranstaltungsstil von selbst. Unter dem Motto „Hier gilt’s der Kunst“ realisierten die Festspielleiter Wieland und Wolfgang Wagner daher ab 1951 eine Neuinterpretation des „Bayreuther Kanons“, die ihrerseits auf der Bühne einer radikalen Modernität verpflichtet war, zunächst aber jegliche politischen Einflüsse leugnete.
Im Rahmen des Seminars gilt es insofern zu erörtern, inwiefern Wagners Ästhetik schon mit anderer Ästhetik des 19. Jahrhunderts schwer zu vereinbaren war, so daß sie dann nach dem Krieg – wenn auch mutmaßlich nicht immer im Sinne Wagners – einer bühnenästhetischen Neuauslegung geöffnet werden konnte. Unter welchen ästhetischen Prämissen vollzog sich diese Öffnung im Zeitraum zwischen der Neueröffnung 1951 und dem sogenannten „Jahrhundertring“ im Jahr 1976? Ferner kann gefragt werden, inwiefern mit dem Auftreten von Pierre Boulez und Patrice Chéreau 1976 in Bayreuth eine Annäherung an ästhetische Konzeptionen der Neuen Musik einherging, die sich seit den 1950er Jahren unter anderem im Rahmen der Internationalen Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik entwickelten. Dazu werden neben ausgewählten Programmhefttexten, historischen Pressestimmen und zentralen Inszenierungen zwischen 1951 und 1976 auch Wagners Kompositionen in den Blick genommen. Erwogen wird außerdem eine eintägige Exkursion nach Bayreuth, bei der das Richard-Wagner-Archiv in Haus Wahnfried und das Festspielhaus besichtigt werden können.
Die Teilnehmerzahl richtet sich nach den jeweils aktuellen Corona-Regeln für die Räume des Instituts für Musikwissenschaft.
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