Kommentar |
Im Zuge der Corona-Pandemie hat die Krankheit Covid-19 selbst nicht weniger (möglicherweise jedoch weit weniger) für Angst und Schrecken gesorgt, wie der darüber geführte mediale Diskurs, egoistische Verhaltensweisen innerhalb der Bevölkerung, sowie die Maßnahmen und Gesetzespakete der Regierungen zur Regulierung und Bekämpfung der Seuche, wie ihrer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Folgeerscheinungen.
Insbesondere die ersten Wochen vor und nach dem sogenannten „shutdown” waren geprägt von zahlreichen, unabsehbaren sozialen Effekte und regelrechten Eruptionen im gesellschaftlichen Gefüge. Trotz der einsetzenden „Normalisierung” im Zuge der politisch-medizinischen Bearbeitung der Pandemie, haben sich wesentliche Verschiebungen im Sozialen ergeben, welche Wissenschaftler*innen noch auf Jahre erforschen werden.
Diese Vorgänge geben Anlass zu einer kritischen Betrachtung von Kontrolle, Überwachung, Biopolitik und Technologien des Regierens. Michel Foucault formulierte dahingehend eine „Kritik des Regierens”. In Anschluss an ihn, schrieb Ulrich Bröckling über „Menschenregierungskünste”, während Giorgio Agamben den „Ausnahmezustand” theoretisiert. Für diese poststrukturalistischen Theoretiker ist im Seminar jeweils eine Doppelsitzung vorgesehen. Davon ausgehend werden wir weitere Texte zu Affekt und Kontrolle zur Diskussionsgrundlage haben. Über die bloße Kritik hinaus, soll sich unsere Diskussion auch auf potenzielle Alternativen richten. Inwiefern kann gesellschaftliche Organisierung und Krisenbearbeitung auf herrschaftsärmere Weise möglich sein?
Das Seminar findet als Doppelsitzung freitags 10-14 Uhr zu folgenden Terminen statt: 6.11. (Einstiegssitzung), 20.11., 4.12., 18.12., 8.1. (= irregulär), 15.1., 29.1. und 12.2.
Prüfungsvoraussetzung ist die Übernahme von Exzerpten oder Referaten. Die Exzerpte sollen der Seminargruppe vor der betreffenden Sitzung zur Vorbereitung bei moodle zur Verfügung gestellt werden.
Wir werden einige Kleingruppenphasen haben und insgesamt versuchen, eine partizipative Atmosphäre herzustellen. Die gründliche Lektüre zumindest der Hälfte der Texte, sollte selbstverständlich sein, um einen fruchtbaren Austausch zu ermöglichen. |
Literatur |
Keitel, Christian/ Volkmer, Michael / Werner, Karin (Hrsg.), Die Corona-Gesellschaft. Analysen zur Lage und Perspektiven für die Zukunft, Bielefeld 2020.
Foucault, Michel, Kritik des Regierens. Schriften zur Politik (hrsg. Ulrich Bröckling), Berlin 2010.
Bröckling, Ulrich, Gute Hirten führen sanft. Über Menschenregierungskünste, Berlin 2017.
Agamben, Giorgio, Ausnahmezustand, 6. Aufl. Frankfurt a.M. 2014.
Massumi, Brian, Parables for the virtual : movement, affect, sensation, Durham 2002.
Behr, Rafael, Die Polizei muss ... an Robustheit deutlich zulegen«: Zur Renaissance aggressiver Maskulinität in der Polizei, in: Loick, Daniel (Hrsg.), Kritik der Polizei, Frankfurt a.M. 2018, S. 165-179. |