Anlässe, um nach der Bedeutung der Vergangenheit für die Gegenwart zu fragen, begegnen uns immer wieder. Aktuell zum Beispiel die gestützten Denkmäler konföderierter Generäle während der ‚Black Lives Matter‘- Demonstrationen in den USA oder die Debatte um Straßenumbenennungen im Rahmen der zivilgesellschaftlichen und politischen Beschäftigung mit den Erbschaften des deutschen Kolonialismus.
Die Beschäftigung mit der Vergangenheit erscheint für die Soziologie jedoch eher als ein randständiges Thema, obwohl sich moderne Gesellschaften immer auch in Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit konstituieren. Mit dem Begriff des kollektiven Gedächtnisses hat darauf bereits 1925 der französische Soziologe Maurice Halbwachs hingewiesen, der gegenwärtig für die kulturwissenschaftlich dominierte Gedächtnisforschung Pate steht. An diese Tradition (zumeist kritisch) anschließend formiert seit einigen Jahren das Forschungsfeld der Gedächtnissoziologie, um einen dezidiert (wissens-)soziologischen Begriff von Erinnerung respektive Gedächtnis zu formulieren.
Im Rahmen des Seminars wollen wir einerseits, der soziologischen Tradition der Erforschung des (sozialen) Erinnerns folgend, der Frage nachgehen, was mit dem Begriff des kollektiven Gedächtnisses eigentlich gemeint ist. Hierbei werden sowohl soziologische Klassiker als auch gegenwärtige Beiträge vorgestellt und diskutiert. Andererseits soll die „jüngere“ Gedächtnissoziologie, auf ihre Anschlussfähigkeit, Gemeinsamkeiten und Unterschiede an diese „ältere“ Forschungslinie hin befragt werden. Das Seminar will damit einen ersten systematischen Überblick über soziologische Theorien des Erinnerns ermöglichen.
In einem ersten Block sollen die zentralen Annahmen eines soziologischen Gedächtnisbegriffes herausgearbeitet werden, um in einem zweiten Block den Begriff des Gedächtnisses anhand kultur- und politikwissenschaftlicher Überlegungen weiter zu explizieren. In einem letzten Block sollen schließlich Probleme und Grenzen sozial geteilter Erinnerung anhand zeitgenössischer Phänomene diskutiert werden.
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