In seinem Buch „Politik der Würde“ (engl. 1996, dt. 1997) entwickelt Avishai Margalit in aufmerksamer Auseinandersetzung mit Beispielen demütigender Verhältnisse aus Geschichte und Politik einen normativen Gesellschaftsentwurf: das Konzept der anständigen Gesellschaft. Eine Gesellschaft ist dann anständig, so Margalits These, wenn ihre Mitglieder nicht durch die Institutionen dieser Gesellschaft in ihrer Selbstachtung verletzt, d.h. gedemütigt werden.
Wer aber zählt zu den Mitgliedern einer Gesellschaft? Wie lässt sich die spezifische Verletzungsmacht von Demütigung verstehen und aus welcher Perspektive kann überhaupt bestimmt werden, ob eine Geste, ob Worte oder andere Handlungen demütigend sind? Und welche normative und politische Relevanz kommt solchen Verletzungen und ihrer Vermeidung zu? Aus der Sicht von Margalit eine sehr hohe, denn er räumt der Einrichtung einer anständigen Gesellschaft einen gewissen Vorrang gegenüber der zivilisierten und der gerechten Gesellschaft ein.
Diese und weitere Fragen und die zentralen Unterscheidungen, die Margalit auf dem Weg seiner Begründung einer anständigen Gesellschaft vornimmt, sollen im Seminar gemeinsam erarbeitet und diskutiert werden. Das Seminar ist als Lektüreseminar konzipiert. Voraussetzung für die Teilnahme ist die Bereitschaft, im Laufe des Semesters den gesamten Text in intensiver Lektüre vor- und nachzubereiten. |