Kommentar |
Im Seminar wollen wir einen neuen Blick auf die Epoche der Romantik und die mit ihr assoziierte Bedeutung der Natur werfen. Es soll um verschiedene kulturelle Systeme, Konzepte und Funktionen des Wissens über die Natur gehen und wie diese sich in Texten manifestieren. Der Fokus wird auf der Botanik und ihren klassifizierenden Praktiken liegen. Wir werden uns zunächst mit Carl von Linné beschäftigen sowie mit theoretischen Ansätzen zu Romantik, Natur und Kolonialismus. Des Weiteren werden wir in nicht-fiktionalen und fiktionalen Texten der frühen Siedler sowie der Romantiker kulturelle Praktiken der Aneignung der Natur analysieren und diese mit indigenen Naturauffassungen kontrastieren. Neben diesem literatur- und kulturwissenschaftlichen Fokus möchten wir auch dem Thema verbundene Einrichtungen und Sammlungen der FSU in den Blick nehmen, etwa das Ernst Haeckl Haus oder das Herbarium Haussknecht. Die ausgewählten Texte und Textpassagen werden den Teilnehmer*innen elektronisch zur Verfügung gestellt.
Nähere Informationen zum Thema des Seminars:
Die Romantik ist nicht nur die Epoche, in der die Natur zur primären Inspirationsquelle für die dichterische Schöpfungskraft wurde, sondern in der die Menschen sich Natur auf unterschiedlichste Weise aneigneten. Unter dem Einfluss von Carl von Linné stieg die Botanik zur Leitwissenschaft der damals neuen, auf Empirie gegründeten Naturkunde auf. Zugleich setzte mit der Auswanderung in die „Neue Welt“ in transatlantischer Perspektive ein nie zuvor dagewesener Austausch von Exemplaren und Pflanzensamen ein, der, vor allem auf dem nordamerikanischen Kontinent, auch zum Wettstreit um nationale und imperiale Größe beitrug.
Zudem kartographierten die europäischen Siedler den angeeigneten Raum neu und belegten alle Pflanzen und Tiere – unter Rückgriff auf die europäische Naturkunde – mit neuen, eigenen Namen. Die alten, indigenen Bezeichnungen wurden dadurch zum Verschwinden gebracht und mit ihnen auch das reiche Wissen, das damit verbunden war. Erst in jüngster Zeit gibt es unter dem Einfluss postkolonialer und ökokritischer Ansätze sowie des Erstarkens der „indigenous knowledges/sciences“ Bestrebungen, indigene Traditionen, Sprachen und Wissensbestände wieder zu beleben und den vorherrschenden Blick auf Natur zu „de-kolonialisieren“. |