Kommentar |
Die Frage nach dem Verhältnis der „Welt“ zu „Gott“ kann als ein zentrales Problem einer philosophischen Weltdeutung gelten.
Denn einerseits wird die Philosophie immer wieder auf die Frage nach einem obersten Prinzip oder einer ersten Ursache geführt, die bereits in der Antike als „Gott“ bzw. „göttlich“ bezeichnet und dann von Christen, Juden und Muslimen mit dem einen Gott ihrer jeweiligen Religion identifiziert wurde. Andererseits lässt sich die Abhängigkeit der Welt von Gott anscheinend nicht widerspruchsfrei zu Ende denken. Denn sowohl alle Versuche, Gottes Existenz zu beweisen, als auch alle Bemühungen, seine Natur und sein Verhältnis zur Welt in einer befriedigenden Weise zu bestimmen, stoßen auf grundlegende Schwierigkeiten.
Andererseits erweist sich jede Definition des Verhältnisses der Welt zu Gott als folgenreich für das Verständnis der sichtbaren Wirklichkeit und der menschlichen Handlungsmöglichkeiten: Definiert man die erste Ursache als strikt notwendig, so liegt es nahe, die ganze Welt als determiniert zu begreifen und die Freiheit des Menschen zu negieren. Betont man hingegen die Freiheit der ersten Ursache zur Schöpfung und Veränderung der Welt, dann scheinen sich weder das Handeln Gottes noch der Aufbau der Welt rational begreifen zu lassen.
Grundlegende philosophische Überlegungen zu diesem Problem, welche die europäische Geistesgeschichte prägten, wurden in der lateinischsprachigen Philosophie von der Antike (Cicero, Seneca, Augustinus) über das Mittelalter (Abaelard, Thomas von Aquin, Duns Scotus, Ockham, Nikolaus von Kues) bis in die frühe Neuzeit (Descartes, Spinoza, Leibniz) angestellt; diese steht daher im Mittelpunkt der Vorlesung, die auf diese Weise auch einen Einblick in die lange Entwicklung der lateinischen Wissenschaftssprache bietet. Darüber hinaus wird auf die griechischen und arabischen Quellen der lateinischen Diskussion eingegangen, ohne welche sich diese nicht verstehen lässt. |