Kommentar |
Was ist es, dass dazu führt, dass gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen und innerhalb von Staaten zum leidvollen Wesensmerkmal internationaler Politik gehört? Warum brechen immer wieder Kriege aus, warum brechen dieselben Konflikte immer wieder gewaltsam aus und warum gelingt es der Menschheit nicht sie zu befrieden, trotz aller wohlmeinenden Anstrengungen? Diese Fragen haben schon die Gründer unserer Disziplin beschäftigt, die 1919 in Versailles zusammenkamen, um nach der Katastrophe des Ersten Weltkrieges allem Krieg ein Ende zu setzen. Der Zweite Weltkrieg folgte nur 21 Jahre später.
Wer Wege aus dem Krieg finden will, muss dessen Ursachen verstehen. Nur leider ist es uns trotz bester und intensivster Forschung klügster Köpfe seit 1919 nicht gelungen, den Krieg aus dem internationalen Leben zu verbannen. Mehr noch, bei jedem Konflikt konkurrieren vielfach diverse politische und wirtschaftliche Erklärungen in Politik, Gesellschaft und Wissenschaft, die für sich Deutungshoheit beanspruchen. Dabei ist es der Wissenschaft nicht gelungen, eine Theorie aufzustellen, die den großen Facettenreichtum der Wege in den Krieg überblicken, ordnen und erklären kann. Stattdessen existieren vielfältige, ebenfalls konkurrierende Erklärungen nebeneinander, und in jedem neuen Krieg liegen die Ursachen anders. Dennoch gibt es bei aller Einmaligkeit wiederkehrende Muster: Phänomene wiederholen sich, die gemeinsame Erklärungen erlauben. Wer diese Muster kennt, kann Konflikte besser verstehen und einordnen. Er führt mit sich ein Portfolio möglicher Erklärungen, die er auf konkrete Konflikte anwenden kann. Sein geübtes Auge sieht, was andere nicht sehen. Das Seminar dient dazu, einige der gängigsten dieser wiederkehrenden Erklärungen zu identifizieren, zu verstehen und auf einzelne Fälle anzuwenden.
Wir werden die wichtigsten Erklärungen anhand der Großtheorien der internationalen Beziehungen, die Sie in der parallel stattfindenden Vorlesung kennenlernen, Schritt für Schritt erarbeiten. Da wir Corona-bedingt nicht wissen, wie das Semester verläuft, werden wir sehr flexibel vorgehen – viel in Eigenarbeit, aber auch möglichst viel interaktiv, v.a. in Kleingruppen; ohne Referate, dafür alternative Paper, die das Gelesene eigenständig reflektieren.
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Literatur |
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Brown, Michael E. et al. (Hrsg., 2001), Nationalism and Ethnic Conflict, Cambridge, MA: MIT Press, 2. Auflage.
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Crocker, Chester A./Hampson, Fen Osler/Hall, Pamela (Hrsg., 2007), Leashing the Dogs of War. Conflict Management in a Divided World, Washington, D.C.: United States Institute of Peace.
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Daase, Christopher (2003), Krieg und politische Gewalt: Konzeptionelle Innovation und theoretischer Fortschritt, in: Hellmann, Gunther/Wolf, Klaus Dieter/Zürn, Michael (Hrsg.), Die neuen Internationalen Beziehungen. Forschungsstand und Perspektiven in Deutschland. Baden-Baden: Nomos, 161-208.
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Fearon, James D. (1995), Rationalist Explanations for War, in: International Organization, 49:3, 379-414.
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Midlarsky, Manus I., Hg. (1989, 2000 und 2009), Handbook of War Studies I-III, Chicago: The University of Michigan Press.
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Rotberg, Robert I. / Rabb, Theodore K. (Hrsg., 2009), The Origin and Prevention of Major Wars, Cambridge: Cambridge University Press.
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Vasquez, John A. (1993), The War Puzzle, Cambridge: Cambridge University Press.
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Vasquez, John A. (Hrsg.2012), What Do we Know About War? Lanham, Maryland: Rowman & Littlefield, 2. Auflage.
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Williams, Paul D. (2008), Security Studies: An Introduction, London: Routledge.
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Bemerkung |
Wer die erste Sitzung der Lehrveranstaltung versäumt, ohne sich vorher schriftlich oder persönlich zu entschuldigen, kann den Anspruch auf einen Platz in der LV verlieren, wenn es mehr Interessenten als Plätze gibt. Dies gilt ungeachtet der Platzzuweisung durch Friedolin und ist im Einklang mit der grundsätzlichen Aufhebung der Anwesenheitspflicht. |