Der politische Umbruch in Rumänien 1989 warf unter anderem die Frage auf, wie die eigene Geschichte und Kulturgeschichte nach dem Wegfall der ideologischen Vorgaben der kommunistischen Zeit zu bewerten seien. Dies schloss im Kommunismus tabuisierte Bereiche mit ein; neben dem Holocaust zählte dazu der verbreitete Antisemitismus und die Verstrickung rumänischer Intellektueller in die autochthone faschistische Bewegung in der Zwischenkriegszeit.
Dessen ungeachtet hatte die Zwischenkriegszeit nach 1989 für intellektuelle Kreise herausgehobene Bedeutung: Unter dem Schlagwort „Rückkehr nach Europa“ sollte an die Traditionen der Zwischenkriegszeit angeknüpft werden, in der Rumänien fester Bestandteil eines demokratischen Europas gewesen sei.
Welches Bild aber zeichnen Quellen und literarische Werke aus der und über die Zwischenkriegszeit, insbesondere wenn es um Antisemitismus und die Ausgrenzung von Juden sowie um die Verstrickung von Intellektuellen in faschistische Bewegungen geht? Wie ordnet sich in diesem Zusammenhang der Holocaust in Rumänien ein, und wie sah der – auch staatliche – Umgang damit aus?
Ausgehend von solchen Fragen schlägt das Seminar einen Bogen von den 1930er Jahren bis in die Gegenwart. Analysiert werden literarische Werke wie „Die Hooligans“ von Mircea Eliade (1935), „Die Nashörner“ von Eugène Ionesco (1957), „Alle Flüsse fließen ins Meer“ von Elie Wiesel (1994) oder „Die Rückkehr des Hooligan“ von Norman Manea (2003). Daneben werden die Tagebücher von Mihail Sebastian, Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik sowie der Abschlussbericht der „Internationalen Kommission für die Erforschung des Holocaust in Rumänien“ untersucht.
Alle im Seminar behandelten Quellen und literarischen Werke liegen auf Deutsch bzw. in deutscher Übersetzung vor. Kenntnisse des Rumänischen sind zwar erwünscht, aber nicht zwingend notwendig. |