Pilgern zu heiligen Stätten ist ein sehr alter Brauch. An heiligen Stätten fühlte man sich stets den heiligen Mächten näher, erhoffte sich Antworten auf existentielle Fragen, suchte Heilung für sich oder die Seinen, und auch die Verfluchung unliebsamer Personen konnte man versuchen.
Große Pilgerheiligtümer der griechischen und römischen Welt haben, so unterschiedlich sie im Einzelnen gestaltet sind, gemeinsame Grundelemente: den Ort des Allerheiligsten, Bereiche, in denen die Vorbereitung auf den entscheidenden Moment des Kontaktes mit dem Göttlichen geschieht, Unterkünfte für die Heilsuchenden und ihre Transportmittel, und einen Weg, der zum Allerheiligsten hinführt und die religiösen Gefühle steigert. Neben überregionalen Pilgerheiligtümern gab es solche von lediglich lokaler Bedeutung.
Im Judentum spielte die Pilgerschaft nach Jerusalem immer eine wichtige Rolle. Bis zur Zerstörung des Zweiten Tempels im Jahre 70 n. Chr. standen Opferhandlungen am Tempel im Mittelpunkt, seither das Gedächtnis an den Resten des Tempels und der Klagemauer. Hinzu traten Pilgerfahrten zu bedeutenden Rabbinern.
Die Stätten des Lebens und Wirkens Jesu Christi in Palästina waren bereits für die frühen Christen von besonderer Bedeutung. Seitdem Konstantin der Große im Jahre 313 das Christentum den Religionen im Römischen Reich gleichgestellt und gezielt gefördert hatte, entstand im Heiligen Land eine immer mehr aufblühende Landschaft des Gedächtnisses an Leben und Wirken Christi, und auch die Gedächtnisorte des Alten Testaments wurden weiter ausgebaut. Das Heilige Land wurde zum Sehnsuchtsort für Christen aus allen Regionen der Oikoumene – von den Säulen des Herakles im Westen bis zum Kaspischen Meer im Osten, von Xanten am Niederrhein bis nach Äthiopien und ins Kaukasische Albanien. Aber auch in anderen Regionen des Römischen Reiches entstanden Pilgerstätten an Orten von Martyrien oder an Wohnstätten besonders verehrter, heiligmäßiger Personen.
Das Seminar vermittelt eine Vorstellung vom Wesen der Pilgerfahrt in den unterschiedlichen Kontexten des Römischen Reiches in der Zeit vom 1. bis zum 7. Jh. n. Chr., wobei der Schwerpunkt auf den in den Quellen am umfangreichsten belegten Pilgerreisen ins Heilige Land liegt. |