Kommentar |
Das Paradigma der Konfessionalisierung hat die Forschung zu den Folgen von Reformation und Gegenreformation über viele Jahrzehnte vor allem im deutschsprachigen Raum dominiert. Anfang der 1980er Jahre formuliert, besagte es, dass sowohl auf protestantischer wie auf katholischer Seite ein sich ähnelnder, umfassender Prozess der Konfessionalisierung in Gang gesetzt wurde, der die frühneuzeitliche Herrschaftsintensivierung begünstigte, die Gläubigen disziplinierte und zur Ausbildung konfessionell profilierter Kulturen führte. Fast vierzig Jahre nach der «Erfindung» des Paradigmas sind die ursprünglichen Thesen nicht nur grundlegenden Kritiken und Nuancierungen unterzogen worden. Historiker und Historikerinnen sind auch neue Wege jenseits des Konfessionalisierungsparadigmas gegangen. Sie haben sich mit konfessioneller Pluralität und Koexistenz, mit der Widerständigkeit von Gläubigen und den komplexen Aushandlungsprozessen innerhalb der Konfessionskulturen befasst. Das Seminar zielt darauf ab, einerseits die Debatte zur Konfessionalisierung aufzuarbeiten und sich andererseits den jüngeren Perspektiven zuzuwenden und zu fragen: Welche neuen Blicke lassen sich heute auf Religion und Konfession im 16. und 17. Jahrhundert werfen?
Zum Einlesen: Wolfgang Reinhard, Zwang zur Konfessionalisierung? Prolegomena zu einer Theorie des konfessionellen Zeitalters, in: Historische Zeitschrift 10 (1983), 257-277; Heinz Schilling, Die Konfessionalisierung im Reich. Religiöser und gesellschaftlicher Wandel in Deutschland zwischen 1555 und 1620, in: Historische Zeitschrift 246 (1988) S. 1-45; Benjamin Kaplan, Divided by faith: religious conflict and the practice of toleration in early modern Europe, Cambridge (Mass.) 2007. |