Kommentar |
Über die Vorzüge einer lateinischen wie geisteswissenschaftlichen Bildung im Allgemeinen muss nicht diskutiert werden: Als Inhaber humanistischer Bildung wollen wir alle zeigen, wie stark Zeitgeist und Politik von der Beschäftigung mit den uns traditionell zukommenden Themen profitieren. Damit die Gesellschaft ihr Nachdenken über diese Themen aber nicht einstellt und den Zugang dazu verschließt, ist es an uns, sie zu pflegen und stets aktuell zu halten.
Aus dem genannten Grund soll dieses Seminar Möglichkeiten diskutieren, ein Bedürfnis des philosophischen und philologischen Lehrens und Lernens an unserem Institut zu verwirklichen: den Lateinunterricht von seiner bisherigen Ausführungsweise zu emanzipieren und dadurch mittelfristig schrittweise zu reformieren.
Zentral dafür ist die Verwandlung des Lateins von einer „Sprachanforderung” zu einem Studieninhalt. Dies soll künftig geschehen durch die Einrichtung eines institutseigenen Kurses und vor allem durch die Einführung von Texten, die methodologisch, inhaltlich und historisch gesehen für die Philosophie als Disziplin nicht nur relevant, sondern auch unverzichtbar sind, da sie einen guten Teil ihres Rückgrats darstellen. Für beides soll das Seminar exemplarisch stehen.
Gelesen werden sollen dabei kurze Auszüge aus Texten mit Wiedererkennungswert, vorzüglich von Autoren aus Neuzeit und Mittelalter, wie etwa Anselm von Canterbury, Thomas von Aquin, Descartes, Spinoza, Leibniz, Kant u.a. Die Texte werden jeweils mit einer thematischen Einleitung und einer Einführung ins Vokabular versehen, ggf. kommentiert und in einem Reader zusammengestellt sein.
Im Seminar sollen die Texte langsam übersetzt, interpretiert und in ihrer Argumentationsstruktur geprüft werden, um einen Anschluss an andere Module zu schaffen. Dabei soll jeder Teilnehmer mindestens einen Satz vorbereiten, darf aber, je nach lateinischem Kenntnisstand, gern mehr übersetzen. Nicht zuletzt soll Raum geboten werden für strukturelle Diskussionen, wie die Frage, ob und wie ein philosophischer Lateinkurs in einem solchen Format durchgeführt werden kann. |
Literatur |
Zur enormen Bedeutung der lateinischen Literatur als kulturstiftender Kraft, aber auch zum Schicksal der Sprache in Renaissance und Neuzeit sehr informativ:
Korenjak, Martin: Geschichte der neulateinischen Literatur. Vom Humanismus bis zur Gegenwart, 2016. (erschienen bei C. H. Beck) |
Voraussetzungen |
Kenntnisse des Lateinischen auf Anfängerniveau sind zur Textlektüre nötig (das wird schon gewährleistet durch Abschluss oder gleichzeitigen Besuch des entsprechenden Kurses am Sprachenzentrum, Lateinkenntnisse aus der Schule o.ä.).
Wer mitdiskutieren will, auch über die genannten strukturellen Fragen, ist natürlich aber auch ohne Sprachkenntnisse sehr gern gesehen und darf sich gern zum Latein verführen lassen!
Wörterbücher werden, sofern notwendig, zur Verfügung gestellt. |