Kommentar |
Die Phänomenologie hat sich bereits vielen Vorwürfen ausgesetzt gesehen. Prominent vorgetragen von den vielleicht bedeutendsten drei Sozialtheoretikern des späten 20. Jahrhunderts, nämlich von Pierre Bourdieu, Anthony Giddens und Jürgen Habermas, wird die Phänomenologie dabei bspw. dafür kritisiert, eine einseitige, idealistische, kulturalistische oder subjektivistische Forschungsrichtung zu sein, die nicht in der Lage sei, der Komplexität der sozialen Wirklichkeit gerecht zu werden (Belvedere 2011).
Solche Einordnungen scheinen jedoch auf einem ungenauen Verständnis von der Phänomenologie selbst, sowie ihren Konzepten und Begriffen zu fußen, und zugleich die nachweisliche Bedeutung phänomenologischer Beiträge für Wissenschafts- und Sozialtheorie zu ignorieren. So scheint eine Beschäftigung mit der Phänomenologie zumindest auf drei Feldern ertragreich: 1) Als analytischer Ansatz erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Fragestellungen in Form von Begriffskritik und systematischer Betrachtung, 2) als Perspektive, die die menschliche Erfahrung und die Alltagswelt als primären Erfahrungsraum zum Ausgangspunkt von Theoriebildung macht 3) als Kritik und ggf. Alternative zu positivistischen, objektivistischen oder szientistischen wissenschaftlichen Positionen.
Im Seminar wird der Versuch unternommen, einen Überblick über die Phänomenologie sowie eine Systematisierung ihrer wichtigsten Ideen und Konzepte zu leisten. Hieran anschließend werden die wichtigsten phänomenologischen Vertreter (Husserl, Heidegger, Schütz, Marleau-Ponty, Sartre, Lévinas etc.) unter der spezifischen Herausarbeitung der jeweiligen zentralen Begriffe, methodologischen Herangehensweisen und (historischen wie theoretischen) Bezugsprobleme vorgestellt. Im Vordergrund steht dabei die kritische Diskussion der Frage nach möglichen Beiträgen jeweiliger phänomenologischer Ansätze zur Sozialtheorie im Allgemeinen sowie einer informierten Gesellschaftstheorie im Spezifischeren. |