Kommentar |
In der Patagonienforschung wurde in den letzten Jahren der (lange geleugnete) Zusammenhang von Genozid an der indigenen Urbevölkerung (2. Hälfte d. 19. Jh.) und den Militärdiktaturen in Argentinien und Chile (2. Hälfte d. 20. Jh.) als wesentliches Identitätsmerkmal des transnationalen Raums Patagonien nachgewiesen, das als 'Narbe', Lücke und kontinuierlicher Referenzpunkt die interkulturelle neue Literatur Patagoniens auf beiden Seiten der Kordilleren prägt (vgl. v.a. die aktuelle interkulturelle mapuche-Literatur, aber auch die interkulturell orientierte Thematik und Schreibweise von Autoren ohne indigenen Hintergrund wie Luisa Peluffo, Juan Pablo Riveros oder Ricardo Costa).
Mit Bezug auf diesen Kontext will die Vorlesung den Zusammenhang von emergenter neuer patagonischer Literatur, interkulturellem (interethnischem) Schreiben, Erinnerungskultur und Menschenrechten im transnationalen Raum Patagonien, auch unter Rückgriff auf Ergebnisse der Forschungsarbeiten benachbarter Disziplinen wie Anthropologie/Ethnologie und Geschichte, vorstellen. Im Mittelpunkt steht dabei die Herausarbeitung der paradigmatischen Modellfunktion literarischer Ausdrucksformen als Medium ästhetischer Erinnerungskultur und Gesellschaftskorrektiv, das den politisch höchst relevanten Forderungen nach Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen und Repräsentation der Verschwundenen in transnationalen, multiethnischen, postkolonialen und postdiktatorialen Räumen nachkommt.
Die VL steht in engstem Zusammenhang mit der Forschungsarbeit des DAAD-geförderten Thematischen Netzwerks "Transnationaler Wandel am Beispiel Patagoniens", das ich seit 2015 leite (http://www.patagonia.uni-jena.de/). Sie greift auf Forschungsergebnisse des Projekts sowie auch speziell auf Vorträge und Einzelveranstaltungen zum Thema zurück, die die Kolleginnen und Kollegen aus acht am Projekt beteiligten argentinischen und chilenischen Universitäten zu diesem Anlass gehalten haben und die größtenteils über das MMZ der FSU aufgenommen werden konnten. Die VL präsentiert die aktuellen Ergebnisse mehrjähriger interuniversitärer, internationaler und interdisziplinärer Forschungsarbeit und dient deren Verankerung in der Lehre der FSU. |