Wenn es der Philosophie darum geht, nicht das zu behandeln, was faktisch der Fall ist, sondern das zu erkennen, was wesentlich und damit notwendigerweise der Fall ist – dann ist die Notwendigkeit der Zentralbegriff der Philosophie: Mit der Frage nach der Möglichkeit oder auch Unmöglichkeit notwendiger Erkenntnis steht und fällt die Möglichkeit von Philosophie überhaupt.
Das erste Ideal der Philosophie sind die Vernunftwahrheiten. Das sind Behauptungen, die auf solche Weise wahr sind, dass ihre Verneinung gar nicht erst gedacht werden kann.
Oder: Es sind Behauptungen, die so offensichtlich wahr sind, dass ihre Verneinung absurd ist (wenn auch denkbar).
Aber: Wenn die Verneinung eines Satzes keinen Sinn hat (und also sinnlos ist), dann kann auch der Satz selbst keinen Sinn haben: p und ~p haben ja den Gehalt "p" gemeinsam. Notwendige Wahrheiten sind (jedenfalls unter Zugrundelegung des Prinzips, dass zwei Verneinungen einander aufheben: ~~p=p) daher die Verneinung einer Kontradiktion, und d.h. sie sind Tautologien.
Das Seminar soll zunächst die bedingte Notwendigkeit Kants thematisieren: Notwendig ist dasjenige, was die Vernunft unbedingt gebietet, oder besser: verbietet – der kategorische Imperativ verbietet mit Notwendigkeit Handlungsweisen, durch die Vernunftwesen sich in Widerspruch zu sich selbst setzen.
Was diese Wesen positiv tun sollen, ist damit nicht beantwortet: ein positives Gebot, etwas zu tun, kann durch die Vernunft grundsätzlich nicht begründet werden. Daher ist das Prinzip von Hans Jonas zwar sprachlich positiv formuliert, der Sache nach können dadurch aber nur Handlungsweisen, die mit der genannten Forderung nicht verträglich sind, ausgeschlossen werden." Was man denn nun tun soll, darüber sagt das Prinzip nichts aus.: "Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden."
In der Naturbetrachtung gibt es notwendige Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung – so etwa die Kategorien. Die Notwendigkeit ihrer Geltung ist jedoch erfahrungsbezogen: sie reicht nur soweit wie die Erfahrung reicht; und sie gibt nur notwendige Züge der Erfahrungserkenntnis an (so z.B. die Kausalität).
Kant bezeichnet seine Version der Notwendigkeit als "synthetisches Apriori". Dieses ist im 20. Jahrhundert vielfach verworfen worden, so auch von Wittgenstein in seiner Logisch-Philosophischen Abhandlung. Dennoch bleibt bei Wittgenstein die Notwendigkeit insofern erhalten, als sie die "Form der Sätze der Wissenschaft" betrifft. Wir werden prüfen, ob darin tatsächlich eine Kritik an Kant, oder eher eine Umformulierung kantischer Gedanken vorliegt.
Später erwägt Wittgenstein, dass der (unbedingten) Notwendigkeit nur eines entsprechen kann: eine willkürliche Regel.
Zudem wird das Seminar (wenn genügend Zeit bleibt) die Überlegungen Kripkes zur "metaphysischen Notwendigkeit" prüfen – insbesondere da Kripke die paradox erscheinende "a posteriorische Notwendigkeit" vorschlägt.
Teilnahmebedingung ist Interesse an der Thematik und die Bereitschaft, selbst mit nachzudenken.
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