Kommentar |
Was unterscheidet „Wirtschaft” von „Gesellschaft” – und was bedeutet es, soziologisch die Domäne der Wirtschaft als distinkten Forschungsbereich zu identifizieren? Seit den Anfängen der Soziologie gilt die Betrachtung des wirtschaftlichen Lebens zum festen Bestandteil der Disziplin. Insbesondere im Bereich der Kapitalismusanalyse sind Begriffe wie Vermarktlichung Kommodifizierung, Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung wichtige Konzepte, die die Dynamik und den Verlauf kapitalistischer Gesellschaften nachvollziehen sollen. Was meinen diese Begrifflichkeiten jedoch genau, und welches Verständnis von Märkten liegt diesen Begriffen zugrunde?
Seit dem Siegeszug der (neoklassischen) Wirtschaftswissenschaften hat die Wirtschaftssoziologie zudem Probleme, ihren Forschungsbereich überhaupt zu legitimieren und geht dazu über, mit wissenschaftssoziologischen Vorzeichen die Epistemologie der institutionalisierten Wirtschaftswissenschaften zu kritisieren. Hier liegt die Annahme zugrunde, dass die Theorien der Neoklassik nicht nur Wirtschaft beschreiben, sondern performativ auch strukturieren. Lassen sich Kritik an der Neoklassik und das Entwickeln eigener Forschungsprogramme jedoch ohne weiteres zusammenbringen oder führt dies zu Inkonsistenzen?
Auch hier findet die Debatte vor allem anhand von Klärungsversuchen darüber statt, was Märkte überhaupt genau sind, wie sie geschaffen und stabilisiert (Eingebettet) werden und wie sich Individuen zu ihnen oder auf ihnen verhalten. Grundlegend geht es um die Frage, wie die bei Intensivierung kapitalistischer Vergesellschaftung (Vermarktlichung, Kommodifizierung etc.) Formen der Einbettung verändern oder gar beseitigen.
Das Seminar will anhand einer intensiven und textnahen Lektüre diese Debatten nachvollziehen und dabei ein Verständnis der wesentlichen Begriffe entwickeln. Von einem kurzen Block zu den soziologischen Klassikern soll schnell zu Einflussreichen Ansätzen wie die von Karl Polanyi übergegangen werden. Von hier aus geht es zu Beiträgen aus der neuen Wirtschaftssoziologie (Swedberg, Granovetter, Fligstein, Beckert), die verschiedene Theorien zu Märkten vorstellen. Diese Ansätze sollen anschließend mit aktuellen polit-ökonomischen Ansätzen konterkariert werden (u.a. Deutschmann, Dörre). Zum Ende werden Ansätze aus den Science and Technology Studies herangezogen, die ein eigenes Forschungsprogramm zur Analyse der Ökonomie, und hier genauer der Vermarktlichung , anbieten.
Eine aktive Teilnahme (Prüfungsvorleistung/ Teilnahmeschein) setzt eine regelmäßige Anwesenheit, die Übernahme einer Textzusammenfassung, die Teilnahme an Seminardiskussionen und eine gründliche Auseinandersetzung mit der Seminarliteratur voraus. |