1989 vertrat Francis Fukuyama die These, dass sich mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und den sog. realsozialistischen Ländern, die liberale Demokratie und kapitalistische Marktwirtschaft als „Ende der Geschichte“ durchsetzen werde. Als vorherrschend gilt vielen seitdem eine Wirtschaftsdoktrin die gemeinhin als „neoliberal“ bezeichnet wird. Die Bezeichnung „Neoliberalismus“ wird jedoch vorrangig von ihren Kritiker:innen verwendet. Gemeint ist dann meist eine Mischung aus Privatisierungs- und Deregulierungsprogrammen, ein Abbau von Marktregulierungen und Sozialpolitik, eine Ökonomisierung verschiedener gesellschaftlicher Bereiche und eine Dominanz des Finanzmarktes. Kritisiert werden die wachsende soziale Ungleichheit und damit einhergehende gesellschaftliche und ökologische Verwerfungen. Neoliberalismus ist jedoch ein unterbestimmter, „leerer“ Begriff, der sich aus verschiedenen ökonomischen Denkschulen speist und eine Agenda der Marktausdehnung verfolgt, die sich länderspezifisch sehr unterschiedlich ausprägt. Trotz der Finanzkrise von 2008 und folgenden Krisenjahren weisen neoliberale Politiken eine erstaunliche Persistenz auf – auch wenn sie ihre hegemoniale Stellung in den letzten Jahren verloren haben.
Im Seminar wollen wir uns der Frage nähern, wie sich die kapitalistische Ökonomie – unter Eindruck der Klimakrise und wachsenden geopolitischen Spannungen – zeitdiagnostisch adäquat erfassen lässt. Dafür beschäftigen wir uns mit den Fragen: Wie hat sich die kapitalistische Ökonomie entwickelt? Wie verhalten sich Wirtschaft und Gesellschaft zueinander? Wie lassen sich soziale Ungleichheiten erklären? Was hat es mit dem heute viel beschworenen Neoliberalismus auf sich?
Das Seminar bietet eine Einführung in den Gegenstandsbereich und ausgewählte theoretische Grundlagen der Wirtschaftssoziologie. Wir setzen uns dabei mit verschiedenen Phasen und Varianten des Kapitalismus und dessen Entwicklung auseinander. Dabei soll das Seminar Studierende dazu befähigen die grundlegenden Funktionsmechanismen der Ökonomie sowie die Wechselwirkungen von ökonomischen Prinzipien und sozialen Strukturen zu analysieren und kritisch zu hinterfragen.
Es sind keine Vorkenntnisse erforderlich. Alle, die Interesse am Thema haben, sind herzlich eingeladen. |