Kommentar |
Die Vergangenheit ist von Normen und Werten geprägt, die heute vergessen sind, die nicht mehr akzeptiert sind oder, das stellt eine andere Möglichkeit dar, die unbewusst oder bewusst tradiert werden. Die (De)Liberalisierung der Ehe- und Sexualmoral in der Moderne ist nur ein Beispiel für die Genese eines als gesellschaftlich angemessen geltenden Verhaltens. Doch welche Rolle spielen historische Erfahrungen nicht nur für die Genese von Werten und Normen, sondern auch für deren Geltung? Wo ‚treffen‘ sich Genese und Geltung? Haben historische Erfahrungen ‚nur‘ einen heuristischen und motivationalen Wert? Oder können wir historischen Erfahrungen auch einen unmittelbaren Einfluss auf die Sollens-Geltung normativer Ansprüche zusprechen, indem diese überhaupt erst Wertungswidersprüche in gesellschaftlichen Praktiken zur Darstellung bringen und einer normativen Kritik zugänglich machen?
Die Pluralisierung von Möglichkeiten in der offenen Gesellschaft erfordert dabei Selbstvergewisserung und sie geht mit gesellschaftlichen Konflikten und Wertungswiderspüchen einher. Anhand eines Tagebuchs und des Verbots eines Aufklärungsbuches für Kinder 1927 werden in diesem Blockseminar fachdidaktische Konzepte eines fächerverbindenden Unterrichts diskutiert. In der Verbindung von Theorie und Praxis soll zudem gemeinsam erarbeitet werden, wie Tagebuch und Gerichtsakten aus den 1920er Jahren als Unterrichtsmedien eingesetzt werden, um – in einem digital gestützten Lernsetting – die historisch-ethische Urteilskraft von Schüler:innen zu fördern.
Literatur: Mirka Dickel, Anke John, Mario Ziegler u.a.: Urteilspraxis und Wertmaßstäbe im Unterricht. Ethik, Englisch, Geographie, Geschichte, politische Bildung, Religion, Frankfurt / M. 2020.
https://www.juedisches-leben-thueringen.de/projekte/das-tagebuch-der-eva-schiffmann/
Die Veranstaltung findet im Raum Z 12 in der Zwätzengasse 12 statt. |