Kommentar |
Außerhalb der Geschichtswissenschaft herrschte in Deutschland lange die Vorstellung, dass für die NS-Verbrechen in erster Linie die vom Nürnberger Tribunal als verbrecherisch eingestuften Organisationen verantwortlich waren. Erst die 1995 eröffnete und vom Hamburger Institut für Sozialforschung initiierte Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht” konfrontierte das deutsche Publikum mit der Beteiligung der Wehrmacht an Verbrechen in besetzten Ländern. Das Seminar widmet sich dem Thema aus verschiedenen Perspektiven: an konkreten Beispielen (Kragujevac, Pancevo, Kalavryta) wird die deutsche Kriegsführung in Südosteuropa während des Zweiten Weltkrieges analysiert, sowie die ersten Versuche, die Verbrechen zu dokumentieren. Das Ziel ist es, entlang ausgewählter Quellen zu beleuchten, wie der Transfer von Wissen von der lokalen Ebene an die Öffentlichkeit funktionierte. Abschließend wird der narrative Umgang mit dem Zweiten Weltkrieg und Verbrechen der Wehrmacht sowie seine Bedeutung für die Herausbildung nationaler Erinnerungskulturen in Südosteuropa analysiert. Im Seminar wird u.a. intensiv an englischsprachigen Originalquellen der United Nations War Crimes Commission gearbeitet. In wöchentlichen Sitzungen stellen Studierende Quellen aus dem digitalen Semesterapparat vor, die anschließend gemeinsam diskutiert werden.
Literatur: Králová, Katerina, Das Vermächtnis der Besatzung: Deutsch-griechische Beziehungen seit 1940 (Göttingen: Böhlau 2016); Ragaru, Nadège, The Prosecution of Anti-Jewish Crimes in Bulgaria: Fashioning a Master Narrative of the Second World War (1944–1945), in: Eastern European politics and societies 11 (2019), 941-975; Hamburger Institut für Sozialforschung: Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 bis 1944 (Hamburg: Hamburger Edition 2021). |