Kommentar |
Der ‚Wolfdietrich‘ ist ein heldenepischer Text des 13. Jahrhunderts, der in vier hinsichtlich Wortlaut, Strophen- und Episodenbestand sehr unterschiedlichen Hauptversionen vorliegt. Während sich die zweisprachige Reclam-Ausgabe auf Hauptversion A beschränkt, wollen wir uns im Seminar der Herausforderung der varianten Überlieferung stellen und auch die anderen Hauptversionen (in älteren, einsprachigen Ausgaben) mit hinzuziehen.
Eine Leitfrage könnte hierbei lauten, ob sich ein extrem variant überlieferter Text wie der ‚Wolfdietrich‘ eventuell nach dem Modell eines Computerspiels beschreiben ließe, das ebenfalls ganz unterschiedliche Spieldurchgänge zulässt. Hatte Marshall McLuhan (Erfinder der Metapher vom ‚Global Village‘) Recht, wenn er mit dem Siegeszug der modernen elektronischen Medien eine Art Rückkehr zu den medialen Verhältnissen des Mittelalters gekommen sah?
Inhaltlich wollen wir uns auf diverse Episoden konzentrieren, die von der Begegnung des Helden mit wilden Frauen berichten. Das gibt uns Gelegenheit, uns mit der sehr grundlegenden Dichotomie von Natur und Kultur, aber auch mit Fragen von Race, Class, Gender und nicht zuletzt auch Religion zu befassen. Wie wird all dies in den betreffenden Episoden verhandelt? Und was machen wir als moderne Rezipienten damit? |