Kommentar |
Wenn man Literatur und Kunst verstehen will, kommt man nicht sehr weit mit Linguistik, es sei denn man glaubt, daß Literatur und Kunst gar nicht das Werk von Autoren, Musikern und Künstlern sind, sondern das Ergebnis frei waltender sprachlicher Strukturen. Wenn also Literatur und Kunst menschengemacht sind, dann wird die Literatur-, Kunst- und Kulturgeschichte getrieben von Vorstellungen, die Menschen von Literatur, Kunst und Kultur haben. Und diese Vorstellungen unterscheiden sich seit Jahrhunderten wesentlich von den heutigen Begriffen und Theoremen der modernen Sprachwissenschaft, die genau deshalb die moderne Sprachwissenschaft ist. Der Sinn sprachlicher Bilder in literarischen Texten erschließt sich daher nicht von der aktuellen linguistischen Metapherntheorie her, sondern von der Konzeption bildlichen Redeschmucks in der Tradition der antiken Rhetorik. Wer verstehen will, warum Literaturwissenschaft und Sprachwissenschaft zwar große Schnittmengen in ihren Gegenständen, aber grundverschiedene Erkenntnisinteressen haben, und wer literarische Texte nicht linguistisch belehren, sondern als Literatur angemessen erfassen will, der braucht Grundkenntnisse in Ästhetik, Rhetorik und Poetik, jenen theoretischen Diskursen, in denen gesagt wird, was Literatur und Kunst im Laufe der Geschichte sein sollten und sein wollten. |