Kommentar |
Ziel des Seminars ist es, einen Überblick über drei theoretische Ansätze – (1) Imagologie oder interkulturelle Hermeneutik, (2) postkoloniale Literaturtheorie/n und (3) feministische oder genderorientierte Literaturtheorie/n – zu vermitteln, die sich schwerpunktmäßig mit (De-)Konstruktionen des ‚Eigenen‘ und ‚Anderen‘ beschäftigen: mit nationalen / kulturellen Selbst- und Fremdbildern, Orientalismen und Othering wie auch Geschlechterbildern. Obgleich „[d]er Begriff ‚Theorie‘ seit der griechischen Antike meist im Gegensatz zu einer bestimmten Form von ‚Praxis‘ gedacht [wird]” (Sexl 2004, 9), sollen die im Seminar vermittelten theoretischen Schlaglichter nicht abstrakt bleiben; denn schließlich „[ist] die literaturwissenschaftliche Tätigkeit selbst auch eine Form der Praxis, die durch theoretische Konzepte angeleitet wird” (ebd.). Wir besprechen demnach die theoretischen Konzepte auch auf mögliche Anwendungsfelder hin und erproben sie ganz konkret an einem literarischen Text: Irena Breznás „Die undankbare Fremde” (2012). Der Roman der slowakisch-schweizerischen Schriftstellerin und Journalistin erzählt von Emigration, Integration, Fremdsein und dem Balanceakt des Ankommens und Heimisch-Werdens bei gleichzeitigem Abstand-Halten. Diese Erfahrungen stehen in enger Verschränkung mit Geschlechterbildern. So imaginiert die aus einer Diktatur stammende jugendliche Ich-Erzählerin die Schweiz, das ihr zunächst „fremde Land”, als „strengen, alten Mann”. Wir werden den Roman mit den verschiedenen theoretischen Zugängen untersuchen, um so anhand von Beispielen erfahrbar zu machen, was die jeweiligen Ansätze im Vergleich zu anderen charakterisiert und wie sie in der literaturwissenschaftlichen Praxis eingesetzt werden können. Es wird sich zeigen, dass eine Trennung der unterschiedlichen Zugänge theoretisch zwar durchaus notwendig, praktisch aber nicht immer sinnvoll oder gar möglich ist, da sich nationale und kulturelle Selbst- und Fremdbilder wie auch Momente der Exotisierung und des Othering in der Konzeption von Erzähler*innen und Charakteren mit bestimmten Geschlechterbildern überschneiden können (Intersektionalität). |