Kommentar |
Jemand mußte Josef K. geraten haben, sich zu entschuldigen, denn als er eines Morgens verhaftet wird, beginnt er sogleich, mit ersten Steinen um sich zu werfen. Als Anwalt in eigener Sache begibt er sich auf die Suche nach seinem Richter und findet seinen Henker, versteht weder sich noch die Welt und geht schließlich vor die Hunde. Mußte es so enden? Sollte es? Schon die Entstehungsgeschichte des Romans gibt Rätsel auf, denn Kafka hinterließ das Skript unvollendet, und keiner kann sagen, ob der Schluß, den er am Anfang geschrieben hatte, auch das Ende sein sollte. Die eigentlichen Rätsel stecken aber im Text selbst, der uns im Alltagskleid des Vertrauten die Abgründe des Unergründlichen vorführt auf eine Weise, die man bis heute kafkaesk nennt. Man ist dann immer schnell in Versuchung zu glauben, Kafka verstanden zu haben, aber verstehen heißt hier vor allem zu verstehen, daß man sich selbst nicht verstanden hat, damit man Kafka verstehen kann. Wie man diesen Roman, wie man Kafka, wie man Literatur allgemein lesen, verstehen kann und was das heißt, und welche Rolle dabei Fragen nach Gattungszugehörigkeit, Epochenzuordnung oder eben nach der besonderen Entstehungsgeschichte von Texten spielen können, wird Gegenstand des Seminars sein. Es geht also um Möglichkeiten von Literatur und Aufgaben von Literaturwissenschaft in diesem Seminar, in dessen Verlauf wir uns zudem schrittweise den Prozeß des Verfassens einer wissenschaftlichen Hausarbeit erarbeiten. |