Platons Phaidon berichtet (als Erinnerungstext Phaidons) von den letzten Lebensstunden des Sokrates: Er ist im Gefängnis, seine Schüler und Freunde besuchen ihn dort, dabei entwickelt sich ein Gespräch über die Unsterblichket der Seele (darüber werden verschiedene Beweise vorgetragen), aber auch über die Natur und das Wesen der Philosophie: "Philosophieren ist sterben lernen". Nach Ende des Gesprächs trinkt Sokrates den Giftbecher und spricht ein letztes Wort.
Der Dialog hat unterschiedliche Deutungen erfahren: Man hat die Unsterblichkeitsbeweise kritisiert und zu verbessern versucht. Man hat aber auch vermutet, dass Sokrates die Beweise gar nicht ganz ernst meinte, und dass er sie nur als trost für seine Freunde vorträgt. Leibniz bewunderte den Phaidon und übersetzte Teile daraus (ins Französische).
Der "Phaidon" ist nach einer wenig bekannten Person benannt, die entfernt von Athen einer zweiten Person die Ereignisse des letzten Lebenstages (und somit auch des Sterbetages) von Sokrates berichtet. (Immerhin soll Phaidon eine der vier "Sokratischen Schulen" gegründet haben, aber von seinen Schriften ist nichts erhalten.)
Gesprächspartner des Sokrates sind Simmias und Kebes, die beide aus Theben stammen, aber offenbar in Athen leben. Beide kommen auch im "Kriton" vor: Simmias hat genügend geld bereitgestellt, um Sokrates zur Flucht aus dem Gefängnis zu verhelfen.
Man kann den Phaidon als hauptsächlich Sokratischen Text lesen, in den Platon einige eigene Details eingestreut hat (John Findlay); aber meist wird er als Platonische Arbeit aufgefasst, die den Tod des Sokrates nur als Rahmen für eigene Gedankengänge verwendet. Von zentraler Bedeutung ist die Auseinandersetzung mit den Auffassunge des Pythagoras - der als erster die Seelenwanderungslehre , und damit den Gedanken der individuellen Unsterblichkeit in Griechenland eingeführt hat. Nach Pythagoras sollten wir uns ethisch so verhalten, dass wir allen Lebewesen gegenüber, die im Zyklus der Reinkarnation begegnen könnten, uns respektvoll verhalten. Auf diese Weise führt eine doch eher abstrus erscheinende Theorie zu konkreten, geradezu universalistichen ethischen Forderungen.
Lange Zeit war der Phaidon einer der populärsten Dialoge Platons überhaupt. 1753 erschien etwa eine Version des Phaidon von Moses Mendelssohn, die einen verbesserten Beweis enthielt. Dieses Buch wurde ein großer Erfolg, allerdings zeigte Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft, dass es aus prinzipiellen Gründen keinen solchen Beweis geben kann. In der zweiten Auflage von 1787 fügte Kant einen neuen Abschnitt ein: "Widerlegung des Mendelssohnschen Beweises der Beharrlichkeit der Seele".
In den letzten Jahrzehnten scheint das Interesse am Text eher abgenommen zu haben, und manche scheinen das Thema der Unsterblichkeit der Seele etwas peinlich zu finden. Wir werden das überprüfen - vor allem werden wir sehen, dass der Text eine Menge außer der Frage nach der Fortexistenz der Seele im Jenseits zu bieten hat. (Prof. Andrea Esser hat vor einigen Jahren den Phaidon ihrer Vorlesung zur Einführung in die Philosophie zugrunde gelegt - wenn auch eher locker.) Die Frage nach dem Tod und unserem Verhältnis dazu, ist jedenfalls keines, das veralten oder aus der Mode kommen kann.
Im Seminar wird der Text abschnittweise gelesen und diskutiert. Die Geschichte der späteren Deutungen werden wir nur auszugsweise behandeln können.
Motto: "Plato amicus, magis amica veritas" |