Kommentar |
Das 15. Jahrhundert beginnt für Frankreich mit zahlreichen Krisen: die Monarchie ist unter dem schwer kranken König Karl VI. geschwächt, die Parteien der Armagnaken und der Burgunder tragen mitten im Land einen blutigen Machtkampf aus, und der Norden des Landes fällt nach militärischen Niederlagen zeitweise an die englische Krone. Dessen ungeachtet profitiert die Kunst vom luxuriösen Geschmack und der verfeinerten Kultur, die sich im vorhergehenden Jahrhundert an den Höfen und unter den Eliten in der Hauptstadt Paris herausgebildet haben. Von kunstsinnigen Mäzenen gefördert schmücken Buchmaler im frühen 15. Jahrhundert ihre Bildhintergründe mit reizenden Landschaften und spielen mit neuen Formen von Räumlichkeit. Kurz darauf entwickeln Maler im Übergang von der Spätgotik zur Renaissance höchst individuelle und atemberaubend ästhetische Zugriffe auf Licht, Stofflichkeit und Kolorit. Zu den herausragenden Meistern dieser Epoche zählen die Brüder Limburg, die als Goldschmiede ausgebildet wurden und dann prächtige Buchmalereien schufen, Barthélemy d'Eyck, der möglicherweise ein nach Frankreich übersiedelter Verwandter Jan van Eycks ist, Jean Fouquet, der in seinem sonderbar zeitlosen "Diptychon von Melun" die Mätresse des Königs als Jungfrau Maria verewigte, und Enguerrand Quarton, ein provençalischer Maler, dessen Werke auf modern anmutende Weise zwischen greifbarer Plastizität und ornamentaler Flächigkeit oszillieren. Ihnen und Weiteren widmet sich das Seminar, wobei auch die Bedingungen der Kunstproduktion in Frankreich im Vergleich mit anderen Kunstzentren Europas unter die Lupe genommen werden. Zur Einführung ist ein gemeinsamer Besuch des Handschriftenlesesaals geplant. |
Literatur |
Paris 1400. Les arts sous Charles VI, Ausst.-Kat. Paris 2004.
Primitifs français: Découvertes et redécouvertes, Ausst.-Kat. Paris 2004.
France 1500. Entre Moyen Age et Renaissance, Ausst.-Kat. Paris 2010.
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