Kann marxistische Theorie die Unterdrückung von Frauen* erfassen oder bedarf sie einer Erweiterung durch feministische Theorie? Wodurch entsteht Frauen*unterdrückung überhaupt? Existiert sie klassenübergreifend als Patriarchat? Was ist ihre Ursache? Und sind Marxismus und Feminismus hier nicht gleichsam rassismusblind? Wie erklären sie die spezifische Unterdrückung und Ausbeutung Schwarzer Frauen? Wer sind die Unterdrücker*innen und wer die Bündnispartner*innen im Kampf um Emanzipation? Geht Sozialismus und Klassenkampf überhaupt ohne Feminismus oder Frauen* und bezieht sich Marx(ismus) nur auf männliche, weiße Industriearbeiter, wie von feministischer Seite oft behauptet?
Viele Antworten auf diese Fragen sind in den letzten vierzig Jahren in Vergessenheit geraten. Zwar ist das Verhältnis von Marxismus und Feminismus schon in den 1970er Jahren ein angespanntes, aber es scheint als würde heute die bloße Behauptung einer marxistischen Abwertung von patriarchaler oder rassistischer Unterdrückung als „Nebenwiderspruch“ genügen, um sich nicht weiter mit marxistischen Beiträgen zu beschäftigen. Dadurch bleiben Hintergründe und Entstehungskontexte heutiger Debatten verborgen, z.B. zu Intersektionalitätstheorie im Kontext von Neue Linke, Sozialismus-Feminismus, Marxismus-Feminismus und Schwarzem Feminismus/Schwarzer Befreiungsbewegung. Aber auch die Debatte um Identitäts- vs. Klassenpolitik speist sich zum großen Teil aus der Unkenntnis oder Umdeutung sozialistischer Bewegungen.
Das Seminar zielt daher einerseits auf die „Wiederentdeckung“ klassisch marxistischer und sozialistischer Analysen im Kontext feministischer Themengebiete, andererseits auf einer Befähigung zur Unterscheidung der verschiedenen theoretischen Strömungen (Marxismus-Feminismus, sozialistischer Feminismus, Radikalfeminismus) und ihrer Relevanz für heutige Auseinandersetzungen zum Verhältnis von Kapitalismus, Rassismus und Frauen*unterdrückung.
Leitfragen des Seminars sind:
1) Was wird jeweils unter Marxismus und Feminismus verstanden? Welche Positionen gibt es?
2) In welcher Relation stehen Kapitalismus und Frauen*unterdrückung/Patriarchat und was ist ihre Ursache?
3) Was folgt aus der Gesellschaftsanalyse für die politische Strategie?
Bisherige Themen der Arbeitsgruppen des Blockseminars:
- Ist Marx(ismus) geschlechtsblind?
- Sozialist*innen und die Frauenfrage um 1900
- Das Verhältnis von Produktion und Reproduktion, Hausarbeitsdebatte
- Intersektionalität aus sozialistisch-feministischer und marxistisch-feministischer Sicht
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